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›Haus und Bäume‹ zeigt ein Motiv aus Dangast, dem Badeort an der friesischen Nordseeküste bei Varel, in dem sich Karl Schmidt-Rottluff zwischen 1909 und 1912 mehrfach aufhielt und einige seiner wichtigsten Werke ausführte. Das Gemälde entstand hier vermutlich im Spätsommer 1912. Im Jahr zuvor war Schmidt-Rottluff als letztes Mitglied der Künstlergruppe ›Die Brücke‹ nach Berlin übergesiedelt, wo er durch die Begegnung mit der Kunst der internationalen Avantgarde neue Impulse für seine Malerei empfing. Vor allem die Ausstellungen in Herwarth Waldens Galerie ›Der Sturm‹ förderten Schmidt-Rottluffs Experimente mit neuen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten. Eröffnet wurde ›Der Sturm‹ im März 1912 mit der bereits in München und Köln gezeigten ersten Ausstellung der Künstlergruppe ›Der Blaue Reiter‹, in der unter anderem auch das Werk ›La Ville‹ von Robert Delaunay gezeigt wurde. Von April bis Mai des gleichen Jahres zeigte Walden eine Ausstellung mit Werken der italienischen Futuristen. Schmidt-Rottluff fühlte sich von den formalen und bildnerischen Lösungen der Werke der Künstler im Umkreis des ›Blauen Reiters‹, wie Franz Marc, Wassily Kandinsky und Robert Delaunay sowie der italienischen Futuristen Giacomo Balla, Umberto Boccioni und Carlo Carrà stark angezogen. Die Neuerungen in seiner Malerei stehen aber möglicherweise auch mit den Eindrücken der epochalen ›Sonderbund‹-Ausstellung in Köln von Ende Mai bis Ende September 1912 in Zusammenhang, wo unter anderen kubistische Werke von Georges Braque und Pablo Picasso zu sehen waren. Über die Auseinandersetzung mit den Kubisten wirkte schließlich auch die Malerei Paul Cézannes auf die Genese seines Malstils ein. Von zentraler Bedeutung sind hier insbesondere Cézannes späte Landschaften. Im Kontext der Sammlung des Museum Folkwang ergänzt das 2008 erworbene Werk den Bestand expressionistischer Malerei und veranschaulicht den engen künstlerischen Austausch, der in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts zwischen Frankreich und Deutschland stattfand. In Gegenüberstellung mit Werken Paul Cézannes, Robert Delaunays und Ferdinand Légers wird dieser Bezug besonders deutlich. Das Museum Folkwang besitzt heute fünf Gemälde von Karl Schmidt-Rottluff, die seine künstlerische Entwicklung in ihren unterschiedlichen Etappen anschaulich machen. Die Frühzeit des Künstlers veranschaulicht ›Rote Blüten‹ (1906/07). ›Fischerkähne auf dem Haff‹ (1913) und ›Kurische Nehrung‹ (1914) stammen aus den ersten Jahren nach der Auflösung der Künstlergruppe ›Die Brücke‹ (1912). Die Bilder ›Das letzte Fuder‹ (1922) und ›Spiegelnde See‹ (1936) schließlich entstanden in den Jahrzehnten seiner öffentlichen Anerkennung, kurz bevor Schmidt-Rottluffs Karriere durch die Kulturpolitik der Nationalsozialisten zunichte gemacht wurde. Bis zum Verlust in Folge der Enteignungen »Entarteter Kunst« 1937 besaß das Museum Folkwang drei Werke aus den für Schmidt-Rottluffs künstlerische Entwicklung so wichtigen Jahren um 1912. Die Gemälde ›Landschaft mit Feldern‹ von 1911 (heute im Besitz der Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg), ›Boote im Haff‹ von 1913 (heute im Osthaus Museum, Hagen) und ›Frauen am Meer‹ von 1919 (Verbleib unbekannt) konnten nach 1945 nicht zurückerworben werden.
»Im Dezember 2014 komme ich erstmals nach Libyen und versuche Zugang zu einer Haftanstalt zu erhalten. Das gelingt mir in Zawiya, einem Männergefängnis rund 80 km Kilometer westlich von Tripolis gelegen. Dies sind die ersten Bilder, die ich in Libyen im Verlauf einer Stunde machen konnte. Ich werde die ganze Zeit von einem Polizisten begleitet, der einigen Männern verbietet zu sprechen und dafür anderen willkürlich das Wort gibt. Die Häftlinge geben mir schnell zu verstehen, dass sie von den Gefängniswärtern Anweisungen erhalten haben, mir konkret zu sagen, dass sie versucht haben, auf dem Seeweg nach Italien zu gelangen. Tatsächlich sagen sie, dass sie in der Hoffnung nach Libyen gekommen sind, Arbeit zu finden oder aus Konfliktgebieten zu fliehen. Während sie direkt in meine Kamera schauen, nehme ich ihre Gesichter auf. Es sind Männer ohne Papiere und ohne offizielle Identität.« Haftanstalt für Migranten, Zawiya, Libyien Die ›Human Writes Drawings‹ des Choreografen und Künstlers William Forsythe entstehen während Performances, bei denen großformatige Papiere, auf festen Metalltischen montiert, von Tänzerinnen und Tänzern mit Händen, Füßen und Mündern beschrieben werden. Die groben und energiegeladenen Zeichnungen nehmen Bezug auf die allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde, und deren Werte auch heute immer wieder neu angemahnt werden müssen.
»Seht, da ist der Mensch!«. Honoré Daumier war zeitlebens vor allem als Karikaturist bekannt. Mit ›Ecce Homo‹ überträgt er seinen satirischen Stil auf die Leinwand und verleiht dem unvollendeten Gemälde eine bildhauerisch anmutende Qualität. Der lateinische Titel stammt aus dem Johannesevangelium und ist von dort in die Kunstgeschichte eingegangen. Er bezeichnet zum einen die Szene der »Schaustellung Christi«, die Jesus und das ihn verspottende Volk von Jerusalem zeigt. Zum anderen wird er für Andachtsbilder verwendet, die den leidenden Christus als Halbfigur oder stehende Ganzfigur darstellen. Immer wieder hat die christliche Bildtradition Künstlerinnen und Künstler inspiriert, neue Ausdrucksmittel zu entwickeln, um dem Menschen in seiner Fehlbarkeit und Verletzlichkeit plastische Gestalt zu verleihen.
Ab 1911 kommt es zwischen den damals politisch verfeindeten Ländern Deutschland und Frankreich zu einem intensiven künstlerischen Austausch: Franz Marc und Wassily Kandinsky, Gründer der Künstlergruppe ›Der Blaue Reiter‹, lernen den französischen Maler Robert Delaunay kennen. Delaunay verfolgt mit seiner Kunst eine »Aktivierung der Augen«. Mithilfe von Komplementärkontrasten und zersplitterten Bildflächen bringt er seine Farben in Bewegung. In ihrem Sog wird der dargestellte Gegenstand nebensächlich und die Formen beginnen zu spielen. Werkserien wie die Fensterbilder inspirieren nicht nur Franz Marc; die Kunst wird zu einem verbindenden Element über nationale Grenzen hinweg. »Das nennt man gerne Universalität«, schreibt Delaunay 1913 an Marc, »Gleichzeitigkeit, die schon weiter ist als Europa, die sich vom Menschen bis ins Universum ausbreitetet.«
Ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden in zunehmendem Maße Zeichnungen, die eine geographisch fassbare landschaftliche Situation wiedergeben. So durchstreifte der Schweizer Künstler Adrian Zingg, der seit 1766 an der Dresdner Kunstakademie tätig war, immer wieder die damals noch gänzlich unerschlossene Sächsische Schweiz nahe Dresden, um zu zeichnen. Auch andernorts schuf Zingg Blätter direkt in der Natur, worauf er mit dem Vermerk »delineavit ad naturam« (gezeichnet nach der Natur) ausdrücklich hinwies, etwa auf den Tuschzeichnungen ›Felsblöcke am Wasser‹ oder ›Landschaft mit Kühen und einem Kloster‹ von 1786 und 1789. Die verstärkte Hinwendung zur gesehenen Landschaft bedeutete aber nicht, dass auf die Anwendung überkommener Darstellungs- und Kompositionsprinzipien verzichtet wurde. Solche Regeln und Methoden vermittelte Adrian Zingg in den 1808 erschienenen ›Anfangsgründen für Landschaftszeichner‹, bei denen es sich um eine Folge von radierten Musterblättern handelt, die dem Anfänger als Vorbild dienen sollten – von Detailstudien einzelner Gräser und Blätter über die Kombination unterschiedlicher Pflanzen bis hin zu vollständigen Bildkompositionen. Indem Zingg die Lernenden ausdrücklich ermunterte, zunächst nach seinen Musterblättern, und erst dann nach der Natur zu zeichnen, prägte er jungen Künstlern seine eigene stilistische Haltung auf, was der junge Ludwig Richter, der Zinggs Schüler an der Dresdner Kunstakademie war, kritisierte: »Wir lagen in den Banden einer todten Manier, wie alle Zinggianer, waren in einen Wust von Regeln und stereotypen Formen und Formeln dermaßen eingeschult, daß ein lebendiges Naturgefühl, die wahre, einfache Anschauung und Auffassung der Dinge sich gar nicht regen, wenigstens nicht zum Ausdruck kommen konnte.« Gerade die topographischen Ansichten Adrian Zinggs sind geprägt von dieser Ambivalenz zwischen Naturnähe und Detailgetreue einerseits und der Befolgung klassischer Kompositionsprinzipien andererseits. So weist die Ansicht von ›Schloss Pillnitz‹ ungeachtet ihrer präzisen Schilderung des Schlosses am anderen Elbufer einen klassischen Bildaufbau auf, indem der Vordergrund von einem verschatteten, asymmetrischen Repoussoir bestimmt wird, den rasch eine helleren Zone ablöst, die wiederum in einen verschatteten Bereich überleitet. Ein solcher Wechsel von hellen und dunklen Zonen war das Mittel der Wahl, um einen Eindruck großer räumlicher Tiefe zu erwecken. Auch kann die malerische Vegetation im Vordergrund nicht verleugnen, dass sie nicht der konkreten Anschauung entspringt, sondern Darstellungsschemata folgt, wie sie Zingg selbst in den ›Anfangsgründen für Landschaftszeichner‹ verbildlicht hat. Vergleichbares gilt für die ›Ansicht von St. Blasien im Schwarzwald‹ oder die ›Landschaft mit Kühen und einem Kloster‹. Auch Jakob Philipp Hackerts im Jahr 1800 entstandene, großformatige Sepiazeichnung ›Die Franziskushöhle‹ im Monte Verna in den Etruskischen Apennin, die einem Gemälde Hackerts aus der Sammlung des Museum Folkwang als Vorlage diente, zeichnet sich durch ein solches Nebeneinander von naturgetreuer Schilderung und künstlerischer Überformung aus, nimmt man etwa den malerisch wilden Baumbestand oberhalb der Höhle in Blick. Eine ähnliche, die reale Situation künstlerisch überhöhende Monumentalität prägt Caspar David Friedrichs gleichzeitig entstandene Sepiazeichnung des ›Felsentors im Uttewalder Grund‹, wobei Friedrich vor allem die Lichtkontraste zwischen dem Dunkel der tief eingeschnittenen Schlucht einerseits und der Helligkeit der oberen, von der Sonne beschienenen Bildpartien andererseits als wesentliches Kompositionsprinzip einsetzt.
Als die Sammlung Folkwang um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gegründet wurde, hatten die Kunsthändler nahezu unbegrenzt Zugang zu ägyptischen Objekten, deren Ausfuhr in dem unter englischem Protektorat stehenden Khedivenreich kaum Beschränkungen unterlag. Die Sammler standen jedoch vor dem Problem, dass sie sich bei ihrer Auswahl vor allem auf ihr eigenes Qualitätsbewusstsein und Stilempfinden stützen mussten. Sie konnten in der Regel den ästhetischen Wert der Objekte, weniger deren kulturhistorischen und kulturellen Kontext beurteilen, da die Denkmäler und Inschriften noch kaum erforscht waren. Mit großem Geschick ist es Karl Ernst Osthaus gelungen, einen Überblick über die künstlerische und kunsthandwerkliche Produktion Ägyptens zusammenzustellen, die von der vorgeschichtlichen Zeit bis zum Ende der Antike (6. Jh n. Chr.) reicht. Fast alle Objekte stammen aus Gräbern oder aus dem Bereich des Totenglaubens. Unter Ramses II. erlangte Ägypten einen knapp 50 Jahre dauernden Frieden und eine eine hohe kulturelle und wirtschaftliche Blüte. Dieser Torso ›Stabträger-Statue Ramses’ II.‹ (KPL 7) gehört zu dem in Ägypten seltenen Typus der »Stabträger Figuren«. Der bei Prozessionen mitgeführte Stab war vermutlich Amun geweiht, Gott der Herden, Weiden und der Fruchbarkeit. Auf das Bemühen, den traditionellen Kanon der ägyptischen Kunstformen zu bewahren und ihn griechischen Künstlern zu vermitteln, verweisen die Bildhauer-Modelle, die häufig Hilfslinien des Quadratnetzes tragen und gelegentlich auch griechische und demotische (das ist eine Kursive der Hieroglyphenschrift) Inschriften. Manche mögen auch als Weihgaben gedient haben. Sie finden sich vor allem in der Ptolemärzeit. Ihre Zahl wird auf etwa 2000 Exemplare geschätzt. Während das doppelseitige Relief aus der Zeit Ptolemaios´ II.-III. ein häufiges Motiv wiedergibt – auf der Vorderseite das eines Königs mit Nemes-Kopftuch, auf der Rückseite das Brustbild einer Göttin mit Geierhaube – ist das stark eingetiefte Relief eines menschlichen Gesichts ein Unikat. Es trägt die griechische Inschrift »dem Ptollas«, einen Personennamen, eingeritzt. (vgl. KPL 1 und KPL 2) Im Alten Ägypten wurden modellhafte Darstellungen des Haushaltes dem Toten ins Grab gegeben. Hohen Standespersonen sollte auf diese Weise eine Versorgung im Jenseits gesichert sein. (Vgl. KPL 14) Gefäße aus Hartgestein wurden bereits in der vorgeschichtlichen Naqada–Kultur um 3500 bis 3100 v. Chr. und in frühdynastischer Zeit in später kaum mehr übertroffener Perfektion hergestellt. Während man Häuser und Gegenstände des Alltags aus vergänglichen Materialien fertigte, benutzte man im Bereich der Gottesverehrung und des Totenkults den dauerhaften Stein. Er galt als Garant für die Ewigkeit und sicherte daher die fortwährende Versorgung der Toten mit den Grabbeilagen. Man experimentierte mit dem Material und erwarb Kenntnisse, die es ermöglichten, im Alten Reich Statuen und Reliefs anzufertigen und große Steinbauten wie die Pyramiden zu errichten. Die Formen der Gefäße sind zumeist keine Neuschöpfungen, sondern eine Umsetzung von Vorbildern aus anderen Materialien wie Ton, Metall oder Pflanzen. Buntes Hartgestein wie Diorit, Brekzie, Gabbro, Serpentinit, Basalt oder Kalkstein diente zunächst als Rohstoff für die Fertigstellung. Seit dem Mittleren Reich bevorzugte man ägyptischen Alabaster (Sinterkalk, Calcit-Alabaster), dessen verschiedenartige Maserung man für raffinierte Effekte ausnutzte, und Anhydrit (sogenannter »blauer Marmor«). Aus der Periode des Mittleren Reichs haben sich deutlich weniger Steingefäße erhalten. Die besonders kunstvollen Formen von Salb- und Schminkgefäßen sind zumeist dem Neuen Reich zu zuordnen.
Als zu Anfang des 20. Jahrhunderts Maler wie Emil Nolde (1867 – 1956) in Ausstellungen und Museen Plastiken aus Afrika für sich entdeckten, gaben sie diesen Artefakten eine neue Rolle in der europäischen Kultur. Durch ihren Blick sahen sie in ihnen Schönheit und zugleich Fremdheit gegenüber dem europäischen Kanon. Die abstrahierenden Darstellungen boten ihnen eine Bestätigung ihres eigenen künstlerischen Weges. Zugleich imaginierten sie zu diesen Objekten paradiesische, naturverbundene Kulturen; eine Sehnsucht nach den Ursprüngen der Menschheit, die damals in vielen europäischen Reformbewegungen wirkte. Auf Anraten der Künstler Emil Nolde und August Macke begann Karl Ernst Osthaus auch afrikanische Objekte zu sammeln. Von der DIAFE-Expedition des Afrikanisten Leo Frobenius in das Yoruba-Land (Nigeria), erwarb er mehrere Skulpturen und Masken. Später kamen Gefäße mit Flechtornamenten der Bakuba (Kongo) für die Formensammlung sowie weitere afrikanische Gegenstände hinzu. Die Objekte stammen aus unterschiedlichen Stammesgruppen und waren für den rituellen Gebrauch bestimmt. Dabei ist es oft schwierig den genauen Kontext zu rekonstruieren, wie bei dem Kanga, einer Maske der Dogon, deren Zeichen nicht eindeutig bestimmt sind. Die ›Zamble-Tanzmaske des Guro‹ (Elfenbeinküste) zeigt eine Mischung aus Antilope, Hyäne, Krokodil und Leopard, den heiligen Tieren des Stammes. Sie durfte nur von den auserwählten Stammesmitgliedern in rituellen Tänzen getragen werden. Die magische Wirkung der Bildwerke findet sich in der Kultur vieler afrikanischer Stämme. Die Statue der benachbart lebenden Baule stellt einen ›blolo-bian‹ dar. Die Baule glauben, dass es im Jenseits zu jedem Menschen einen geisterhaften Doppelgänger gibt, von dem man eine Holzfigur anfertigt, die regelmäßig mit Öl gepflegt werden muss, damit dieser Geist gnädig bleibt. Auffällig an der Statue und der Maske ist das feine Schnitzwerk, das Ziernarben abbildet, die sich die Baule zufügen. Die Skulptur der Baule und die Maske der Bayaka wurden von Carl Einstein in dem Aufsehen erregenden Buch ›Negerplastik‹ 1915 publiziert.
Anfang des 20. Jahrhunderts formt Karl Ernst Osthaus Sammlungen der Moderne, des europäischen Kunstgewerbes und nichteuropäischer Kunst aus unterschiedlichsten Kulturkreisen und setzt diese miteinander in Dialog. Nach seinem Tod im Jahre 1921 wird die Sammlung Osthaus vom neu gegründeten Folkwang-Museumsverein für die Stadt Essen erworben und 1922 mit dem bestehenden Städtischen Kunstmuseum unter der Leitung von Ernst Gosebruch vereinigt. Gosebruch, der bereits in den Vorjahren bedeutende Werke für das Städtische Kunstmuseum erwerben konnte, setzt sich wie sein Freund Osthaus für die Förderung der künstlerischen Avantgarde ein und baut die Museumssammlung bis zu seiner durch die Nationalsozialisten erwirkten vorzeitigen Pensionierung im Jahr 1933 konsequent aus. In diesem Raum werden frühe durch Osthaus und Gosebruch getätigte Museumsankäufe aus den Jahren 1902 bis 1914 präsentiert.
Auch wenn im 19. Jahrhundert die naturgetreue Wiedergabe einer konkreten Landschaft immer größere Bedeutung erlangte, lebte das seit der Renaissance existierende, vor allem im Barock geläufige Konzept der heroischen Landschaft fort, in der sich dramatische, zumeist der Mythologie entnommene Geschehnisse abspielen. So ist in Johann Christian Reinharts Sepiablatt ›Atalantas Kampf gegen Hyllus und Rhoecus‹ von 1799 der Kampf der ausgestoßenen Königstochter Atalanta gegen zwei Kentauren dargestellt, die sich ihr nähern wollten: Ein Kentaur ist bereits tödlich getroffen, den zweiten wird in wenigen Augenblicken dasselbe Schicksal ereilen, da Atalanta den gespannten Bogen bereits auf ihn gerichtet hat. Die dramatische Handlung vollzieht sich in einer fiktiven Landschaft, in der verschiedene klassische Bildelemente zueinander gefügt wurden. Der Bildvordergrund wird von einem so genannten Repoussoir in dunklen Farbtönen geprägt, das sich aus dem links aufragenden, nur im Ausschnitt sichtbaren Baum sowie einer keilförmigen, verschatteten Fläche zusammensetzt, hinter der sich die helle Lichtung mit den Figuren umso deutlicher abhebt. Schroff aufragende Felsen, ein Wasserlauf, der sich in mehreren Kaskaden ergießt, aber auch die markante Baumgruppe im Zentrum vermitteln den Eindruck einer urwüchsigen Landschaft außerhalb der Zivilisation – entsprechend der dargestellten Handlung, denn Atalanta wurde in der Wildnis fernab menschlicher Gesellschaft von Bären aufgezogen. Als einziges Zeichen der Zivilisation ist in weiter Ferne das Portal eines Tempels auszumachen. Hauptvertreter der heroischen Landschaftsauffassung im 19. Jahrhundert war Joseph Anton Koch, der von wenigen Jahren abgesehen sein gesamtes künstlerisches Leben in Rom verbrachte. Die Themen, denen er sich widmete, konnten der klassischen Mythologie entstammen, wie die beiden Zeichnungen ›Landschaft mit Herkules am Scheideweg‹ und ›Diana und Aktäon‹ belegen, aber auch der Bibel, wovon die ›Landschaft mit Flucht nach Ägypten‹ zeugt. Sehr anschaulich verdeutlicht die Szene aus der Jugend des Herkules, wie die Landschaft selbst die Bedeutung des dargestellten Geschehens inhaltlich untermauert: Welch unterschiedliche Lebenswege die stehende Personifikation der ›Virtus‹ (Tugend) und die halbnackt neben dem sinnenden Herkules gelagerte ›Voluptas‹ (Lust) dem Helden in Aussicht stellen, erschließt sich durch die beiden unterschiedlichen Landschaftstypen, die das Blatt in zwei Hälften teilen. Während auf Seiten der ›Voluptas‹ eine liebliche Sommerlandschaft zu sehen ist – dicht belaubte Bäume, ein kleines Gewässer mit Schwänen im Vordergrund und badende und tanzende Menschen im Hintergrund – zeigt ›Virtus‹ mit ihrer Rechten auf die hinter ihr liegende unwirtliche Bergwelt, in der außer dem bloßen Fels nur wenige abgestorbene Bäume zu sehen sind, aber eben auch – in der Ferne – ein sonnenüberfluteter Gipfel, der für alle Mühen des Aufstiegs entschädigt. Friedrich Preller schließlich, der als junger Künstler zwischen 1836 und 1831 in Italien lebte und von Joseph Anton Koch beeinflusst war, widmete sich mehrfach dem Thema Odysseus. 1833 bis 1836 schuf er im Haus des Leipziger Verlegers Härtel einen Freskenzyklus zu diesem Thema. Nachdem Preller 1857 Nachzeichnungen dieses Zyklus zur Dokumentation angefertigt hatte, schuf er auch neue Odysseus-Zeichnungen, die großen Anklang beim Publikum fanden und dazu führten, dass er in Weimar einen zweiten Zyklus schuf. In diesen Kontext gehört auch die großformatige Zeichnung ›Die Phäaken tragen den schlafenden Odysseus an Land‹, die sich durch den ungewöhnlichen Blickwinkel aus dem Dunkel einer Höhle in eine hell von der Sonne beschienene Bucht auszeichnet.
Ausgangspunkt der Folge von acht Zeichnungen Stefana McClures sind die zweizeiligen Untertitel der BBC-Dokumentarfilmserie ›The Blue Planet‹ aus dem Jahr 2001, die in acht Folgen die Weltmeere und ihre Bedeutung für die Erde thematisierte. Sämtliche Untertitel einer Folge sind in jeweils einer Zeichnung zusammengefasst: Auf ein blaues Durchschlagpapier, das während des Entstehungsprozesses mit der pigmentierten Unterseite nach oben lag, hat die Künstlerin ein weiteres Papier gelegt, auf dem sie von Hand den gesamten Text der Untertitel abgeschrieben hat – jeweils exakt an der Position innerhalb des zweizeiligen Schemas, an dem Text in der Sendung eingeblendet wurde. Dies führte auf dem Durchschlagpapier zu einem Abrieb der blauen Farbpartikel, der dort fast vollständig erfolgte, wo besonders viele Buchstaben niedergeschrieben wurden, also in der Mitte der Textzeilen. Hier blieb vom blauen Pigment kaum ein Rest und das Weiß des Papiers trat hervor. Am linken und rechten Rand der weißen Zeilen sind hingegen einzelne Buchstaben zu entziffern. Auf jeder Zeichnung ist somit eine enorme Dichte an Informationen gespeichert, ohne dass diese vom Betrachter entnommen werden könnten. Die Serie lässt sich als Metapher einer Mediengesellschaft verstehen, die von einer Welle sich überlagernder Informationen überschwemmt wird, so dass diese sich gegenseitig aufheben und als Entscheidungshilfe zum richtigen Handeln kaum mehr dienen können – selbst wenn es um Fragen globalen Ausmaßes geht.
Bei näherer Betrachtung erscheinen die Dinge, die uns umgeben, manches Mal fremd und rätselhaft. Diesen Moment des Wunderns nutzen die Surrealisten: Sie führen in ihren Werken Zusammenhangloses, zufällig Gefundenes oder auch Gegensätzliches zusammen. Auf diese Weise erschaffen René Magritte, Yves Tanguy oder Salvador Dalí Bildwelten, die dem Traum oder Rausch entsprungen scheinen, und doch so nah an der Realität verbleiben, dass wir sie zu kennen meinen. Da erwachsen aus abgeklatschter Farbe ganze Landschaften und eine Straßenlampe beleuchtet das Innere eines Hauses. ›Der halluzinogene Blick‹ auf die Dinge bleibt auch nach 1930 von Bedeutung, als der enge Kreis der Surrealisten um André Breton sich aufgelöst hat. In der Folge werden Künstler wie Max Ernst oder WOLS mit ihren Werken zu Vermittlern, die die surrealistischen Prinzipien über Generationen und Ländergrenzen hinweg weitertragen.
Bildgewaltig erinnern Denkmäler an ruhmreiche Personen, an siegreiche oder verlorene Schlachten. Doch auch im kleineren Format vermögen Skulpturen uns mit ihren Gesten zu berühren. Vom alten Ägypten über das Mittelalter bis in unser Jahrhundert – die Verletzlichkeit des Menschen beschäftigt Bildhauer seit Urzeiten. Im Fall von Andachtsobjekten ist die Auseinandersetzung getragen vom Gedanken an ein Leben nach dem Tod. Wie bei Käthe Kollwitz‘ ›Turm der Mütter‹ oder Emile-Antoine Bourdelles ›Etude de guerrier blessé debout‹ kann sie aber auch Geschehenes reflektieren und Anteilnahme bewirken. George Minne veranschaulicht in seinem Werk eine Empfindsamkeit, die von seinen Figuren gleichermaßen körperlich und seelisch erlebt wird. Schließlich sind es die Stücke selbst, die als Fragmente von Verletzung und Verwundung sprechen und damit einen Teil ihrer Geschichte erzählen.
Das »hier« der einen ist das »dort« der anderen. Grenzen trennen, sie bestimmen Territorien, machen Menschen zu Ein- und Auswanderern und setzen unterschiedliche politische Systeme und Konventionen voneinander ab. Mit Bauwerken und Monumenten markieren und verbildlichen die Nationen Grenzziehungen. Grenzen sind aber auch veränderbar. Die deutsche Geschichte nach 1945 steht im Zeichen des Mauerbaus und seiner Überwindung. Wolf Vostell collagiert 1964 für ›You are leaving the American Sector‹ Medienbilder rund um den Checkpoint Charlie, während Meuser mit seinen Objekten ›DDR Wachturm und DDR Laster‹ (1986) durch die Titelgebung die Bewachung der deutsch-deutschen Grenze thematisiert. Auch Deimantas Narkevicius reflektiert die ehemalige Grenze zwischen Ost und West. Für seinem Film ›The Head‹ verwendet er historisches Filmmaterial von der Einweihung des Karl-Marx-Monuments in Chemnitz 1971. Doch Grenzen sind nicht nur territorial. So wird in Lovis Corinths ›Thomas in Rüstung‹ das Portrait des eigenen eingerüsteten Sohnes zum Sinnbild zwischenmenschlicher Vater-Sohn-Beziehungen.
Das Atelier Van Lieshout arbeitet seit 2005 an einer umfangreichen Werkgruppe mit dem Titel ›Slave City‹, die Pläne, Zeichnungen, Skulpturen, Modellen, und Installationen umfasst. Die ›Stadt der Sklaven‹ (›Slave City‹) ist eine künstlerische Dystopie voller historischer, kunsthistorischer, literarischer und filmischer Bezüge. Das Stadtprojekt von Atelier Van Lieshout, das in konsequentester Form auf Rationalität, Effizienz und Profit ausgerichtet ist, geht von der Möglichkeit einer Grundfinanzierung aus, die schnell höchste Profite zu versprechen scheint und spiegelt damit nicht zuletzt einige der wirtschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre. Als Ausgangspunkt des 2005 ins Leben gerufenen Projektes jongliert Joep van Lieshout – der Kopf des Ateliers – mit gegenwärtigen ethischen und ästhetischen Werten, Vorstellungen über Ernährung, Umwelt- und Klimaschutz, Organisation, Management und Markt, die neu kombiniert und interpretiert werden. ›Slave City‹ zielt auf die Realisierung totaler Selbstversorgung und stellt sich zugleich als Pervertierung einer hochmodernen Leistungsgesellschaft dar. Der grünen Stadt, die nur soviel Energie verbraucht, wie sie selbst produziert, stehen Tabubrüche wie organisierte Versklavung und totales Recycling des Menschen gegenüber. In gewisser Weise ist die Stadt eine Neuinterpretation des Konzentrationslagers, das sich modernster Technologien bedient. Die einzige Entlohnung liegt in der Prostitution. Vier in der Sammlung befindliche skizzenartige Gemälde illustrieren Organisationsstrukturen. Die »Teilnehmer« des Projektes – wie die Einwohner genannt werden – arbeiten täglich sieben Stunden im Dienstleistungsbereich (Fernkommunikation, Call-Shops, Computerprogrammierung etc.), sieben Stunden auf den Feldern, Werkstätten oder in der Überwachung. Neben sieben Stunden Schlaf stehen drei Stunden Freizeit zur Verfügung. Ein strenges Überwachungssystem sorgt dafür, dass jede Abweichung drakonisch bestraft wird. Die Modelle der ›Stadt der Sklaven‹ zeigen eine perfekt durchgestaltete und kreative Stadt, in der sich neben der nötigen Infrastruktur Dienstleistungsgebäude, Universitäten, Gesundheits- und Einkaufszentren, Dörfer, Bordelle und Museen befinden. Die ›Call-Center-Units‹, in denen gearbeitet und geschlafen wird, sind Sammellager für je 20736 Personen per Block und einer Mindesteinheit von 72 Personen pro Segment. International bekannt wurde Atelier Lieshout in den 1990er Jahren mit der Herstellung mobiler Häuser und ›Hüllen‹, deren Konzeption auf die Freiheit der Bewegung, die Flexibilität in der Gestaltung und die Unterwanderung behördlicher Genehmigungen abzielte. Zudem fertigte AVL gebrauchsfertige Möbel (Bad Furniture), funktionstüchtige Toilettenanlagen, Schlafkojen, Wohnkapseln und Büroeinheiten. Bis heute entwickelt das Atelier in einzigartiger Weise klein- und großformatige Kunstwerke und Installationen zwischen Architektur, Design und Skulptur. Im Jahr 2001 wurde ›AVL-Ville‹ ins Leben gerufen, ein unabhängiger Stadtstaat im Hafen von Rotterdam. Der letztlich gescheiterten Umsetzung einer anarchischen Utopie folgte das noch andauernde Projekt der ›Slave City‹.
Das Drama ›Sakuntala‹ des indischen Autors Kalidasa (315 bis 415 n. Chr.) schildert eine Liebe über Standesgrenzen hinweg, die durch göttliche Einflussnahme einer schweren Probe ausgesetzt wird, sich aber schließlich dennoch zum Guten wendet. König Dusyanta verliebt sich in Sakuntala, ein Mädchen aus einer Einsiedelei, und heiratet sie ungeachtet des Standesunterschieds. Als der König einmal abwesend ist, beleidigt Sakuntala unbeabsichtigt einen Heiligen, weshalb sie von diesem verflucht wird, so dass Dusyanta die Erinnerung an seine Gemahlin verliert. Erst wenn Sakuntala ihren Ring zurückgibt, wird der König sich ihrer erinnern. Sakuntala verliert den Ring indes beim Baden, und nur durch den glücklichen Umstand, dass ein Fischer den Ring auffindet, kann die Liebe gerettet werden. Mit der Folge von fünf Lithografien illustriert Kirchner Szenen aus dem Beginn der Handlung, in der die Hochzeit vorbereitet wird. Ähnlich wie bei einem Holzschnitt arbeitet er mit flächigen und linearen Elementen in unterschiedlichen Tönen: Der aus vibrierenden scharzen (Feder-)Linien gegebenen Szene verleiht ein grauer Fond aus breiteren (Kreide-)Strichen zusätzliche Plastizität. Die fast ornamental anmutende Fülle der Linien kann als Versuch Kirchners gedeutet werden, den Blättern ein fernöstliches Gepräge zu geben, auch wenn sich Anklänge an die europäische Bildtradition – etwa die Geschichte von David und Bathseba – nicht verleugnen lassen. Kompositorisch bemerkenswert ist die starke räumliche Staffelung, die die meisten Blätter der Serie aufweisen. Besonders deutlich tritt dies bei dem letzten Blatt, ›Sakuntala vor dem Thron des Königs‹, zutage, das die Titelfigur angeschnitten in der vordersten Bildebene präsentiert, während der König im Hintergrund weit von ihr entfernt ist und optisch mit seiner Umgebung zu verschmelzen scheint. Kirchner, der den Druck der Serie selbst durchführte, verwandte für die Bildfolge immer denselben, am oberen Ende nach rechts abgeschrägten Stein, so dass ein späterer Nachdruck von vorneherein ausgeschlossen war. Neben dem Museum Folkwang besitzt nur noch die Hamburger Kunsthalle ein vollständiges Exemplar von ›Sakuntala‹.
Das Malen unter freiem Himmel, »en plein air«, und bei natürlichen Licht- und Schattenverhältnissen kennzeichnet Mitte des 19. Jahrhunderts einen malerischen Stil. Auch Pierre Auguste Renoirs ›Lise‹ aus dem Jahr 1867 steht diesem sogenannten Pleinairismus nahe, gilt jedoch als Hauptwerk des frühen Impressionismus. Als erstes Werk des Malers wurde es 1868 im Pariser Salon ausgestellt. Renoir porträtiert seine junge Liebe Lise Tréhot vor einer schattigen Lichtung im Wald von Fontainebleau bei Paris. Momentaufnahmen und die Flüchtigkeit natürlicher Lichtverhältnisse charakterisieren die impressionistische Malerei. Kein deutscher Künstler ist dieser so nahegekommen wie Max Liebermann: Mit schnellem Duktus und intensiven Farben hält er seinen ersten Eindruck eines Wärters im Amsterdamer Zoo an einem lichten Sommertag fest. Auch die Fotografie des Piktorialismus um 1900 bringt durch zerstreute Lichtführung und kalkulierte Unschärfen malerische Zeugnisse des Lebens unter freiem Himmel hervor.
Das Museum Folkwang verfügt über eine kleine, erlesene Sammlung von neunzehn Werken melanesischer Künstler, die größtenteils um 1915 den Beständen hinzugefügt wurden. Sie stammen mehrheitlich aus Papua Neuguinea, einem seit 1975 unabhängigen Inselstaat, dessen nördliche Gebiete von 1884 bis 1914 Teil des deutschen Kolonialreichs waren. Die größte zusammenhängende Werkgruppe besteht aus sieben Skulpturen von der im Nordosten dieses Staates gelegenen Insel Neuirland. Franz Wiesner, ein in Hagen gebürtiger und von 1912 bis 1914 als kaiserlicher Polizeimeister im Dienste der deutschen Kolonialverwaltung Neuguineas stehender Beamter, machte sie Osthaus durch die Vermittlung von Ada und Emil Nolde zum Geschenk. Malagan sind mehrfarbig gestaltete, meist durchbrochen gearbeitete Schnitzereien von großer Variabilität. Oft kombinierten die Künstler menschliche Formen mit solchen aus der Tier- und Pflanzenwelt, wobei sie den geschnitzten, zuweilen auch zusammengesetzten Figuren durch aufwendige Bemalungen zusätzliche Tiefe und Lebendigkeit verliehen. Der in Phasen gegliederte, mehrere Wochen oder Monate dauernde Herstellungsprozess erfolgte unter Ausschluss der Öffentlichkeit durch mit Muschelgeld entlöhnte Spezialisten. Die Arbeit der Künstler galt als gefährlich, weil sie dabei in Kontakt mit jenseitigen Wesen gerieten. Die Schnitzereien – sowohl die malagan als auch die uli – wurden im Rahmen groß angelegter Totengedenkfeiern eingesetzt. Sie galten zum Zeitpunkt des Rituals als beliebt und im Falle der malagan-Schnitzereien, die man in Schauhütten oder an meterhohen Wänden präsentierte, als das Medium, durch das die Toten endgültig ins Jenseits eingehen können. Ihre spirituelle Kraft überträgt sich so an die Nachfahren. Im Ritual verwendete malagan-Figuren menschlicher Gestalt konnten dabei kürzlich dahingeschiedene Verwandte, vor langer Zeit verstorbene Ahnen oder auch die sich von Generation zu Generation übertragende Lebenskraft repräsentieren. Zwei weitere Malagan-Figuren lassen sich aufgrund ihrer formalen und stilistischen Merkmale ebenfalls identifizieren. Sie gehören wahrscheinlich der Subtradition Marada an, die mit Regenmagie in Zusammenhang gebracht wird. Sie war nicht nur in Bezug auf Fruchtbarkeit und die Sicherstellung erfolgreicher Pflanzzyklen von Bedeutung, sondern darüber hinaus unverzichtbarer Bestandteil aller Rituale. Familien bzw. Subklane, die Rechte an Marada hatten, waren in der Regel auch Hüter von Regenmacherhainen, in denen neben geschnitzten Figuren die Schädel von berühmten verstorbenen Regenzauberern in großen Schalen der Tridacna-Muschel (vgl. das blütenartige Ornament, auf dem die beiden Figuren aufbewahrt wurden). Zu den wichtigsten Exemplaren eines Subklans gehörten horizontale, als kobokobor bezeichnete Friese, deren Übergabe den Aufstieg des Empfängers in den Rang eines Ritualführers signalisierte. Der waagrechte Fries in der Sammlung des Museum Folkwang zeichnet sich durch drei männliche Figuren aus, zwischen denen zwei so genannte ›Feueraugen‹ (mataling) dargestellt sind und aufgrund derer die Skulptur sich als kobokobor der Subtradition Valik zuordnen lässt. Nach dem rituellen Gebrauch hängte man Friese dieser Art früher zuweilen auch an Initiationshäusern auf.
Das Schattenspiel ist auf den beiden zu Indonesien gehörigen Inseln Java und Bali sowie auf einigen anderen Inseln bekannt. Die Schatten (wayang) der aus Leder (kulit) geschnitzten Puppen erwecken in einer ›wayang kulit‹-Aufführung uralte Geschichten mit existenziellen Bedeutungen zum Leben. Der genaue Ursprung des ›wayang kulit‹ ist nicht bekannt. Erstmalig erwähnt wird es im altjavanischen Gedicht ›Arjunawiwaha‹ aus dem frühen 11. Jahrhundert. Darin wird gelehrt, dass alles im Leben Wahrgenommene Illusion ist, genauso wie die Schatten im Schattenspiel. Die bis heute gespielten Geschichten wurden bereits an den Tempeln der hindu-buddhistischen Periode Javas seit dem 9. Jahrhundert in steinerne Reliefs dargestellt. Die meisten der heute bekannten historischen ›wayang kulit‹-Sets stammen aus dem 19. oder frühen 20. Jahrhundert. Die ›wayang‹-Figuren unterscheiden sich durch diverse Merkmale: Während z.B. die weiblichen Figuren aus Solo eine nach hinten hängende Gewandschleppe tragen, hängt sie bei den Figuren aus Yogya nach vorne. In früheren Zeiten wurde ›wayang‹ im Rahmen von glückverheißenden Ritualen aufgeführt, etwa anlässlich der Geburt eines Kindes, einer Hochzeit oder der Einweihung eines Hauses. Eine originale Schattenspielaufführung beginnt gegen 19 Uhr und endet häufig erst gegen 5 Uhr am nächsten Tag. Eine breite Leinwand ist aufgespannt über einem quer liegenden Bananenstamm, in den die Figuren des Sets gesteckt sind, rechts die ›Bösen‹ und links die ›Edlen‹ (von der Vorderseite der Leinwand aus gesehen). Hinter der Leinwand sitzt der Puppenspieler ›dalang‹, neben ihm in einer Holzkiste liegen die rund 50 Figuren bereit, die er während des Spiels braucht. Hinter ihm ist das ›gamelan‹-Orchester aufgebaut, bestehend aus Metallophonen, Gongs und anderen Instrumenten. Die hinter der Leinwand aufgehängte Öllampe ›blencong‹ wirft während des Spiels die Schatten der Puppen auf die Leinwand. Die Geschichten (lakon), die als Vorlage für eine ›wayang‹-Aufführung dienen, entstammen dem hindu-buddhistischen Kontext. Das ›wayang‹ wurde jedoch in den Rahmen der islamischen Religion integriert, die sich ab Anfang des 16. Jahrhunderts in Java und im größten Teil Indonesiens als die beherrschende Religion etabliert hat. Der Kern der ›lakon‹-Themen ist die Vereinigung des Menschen mit dem Göttlichen, welche ebenso das Ziel der sufistischen Ausrichtung ist, mit der der Islam ursprünglich in Java eingeführt wurde. Insofern stehen die hindu-buddhistischen Themen keineswegs im Gegensatz zur islamischen Praxis.
Der Abbildung von Baudenkmälern und Kunstwerken wird seit Anbeginn der Fotografiegeschichte ein große Bedeutung zugemessen. Nach den ersten, Expeditionen begleitenden Fotografen, siedelten sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts Fotostudios u.a. in Kairo und Luxor an, um den Bedarf der europäischen Touristen an exotischen Erinnerungsbildern zu decken. Hauptmotive der Fotografen stellten die Monumente des Alten Ägypten und orientalistische Szenen dar.
Der Anblick der aufgehenden Sonne, eine Mondnacht über hohen Felsen, ein ausgelassenes Fest am Waldrand, zwei Menschen am Strand: Landschaftsbilder zeigen häufig Sehnsuchts- und Erinnerungsorte. In den Werken blickt der Betrachter auf Gebirge und Ebenen, Wälder und Meere, und zugleich machen die Gemälde und Fotografien menschliche Erfahrungen und Wunschvorstellungen sichtbar. Trotz zeitlicher und räumlicher Distanz wird Entferntes erlebbar. Während Camille Corot an die antike Erzählung eines Goldenen Zeitalters (Arkadien) anknüpft und Faune um einen Tempel tanzen lässt, hinterfragen die Künstler der Gegenwart landschaftliche Ideale wie das Paradies oder die unberührte Natur. Beate Gütschow, Katharina Fritsch und Darren Almond thematisieren mit fotografischen Mitteln die Entrückung der Welt durch Bilder, indem sie Ansichten einer imaginären Realität schaffen. Wer die Welt vermisst, beginnt nach ihr zu forschen und dringt dabei vielleicht wie Per Kirkeby tief in ihre Vegetation und ihr Gestein vor.
Der Brand von Notre-Dame de Paris hat gezeigt, dass Kirchen und Kathedralen bis in unsere Zeit Symbolcharakter besitzen. Sie stehen im Zentrum der Stadtgesellschaft, sind Ausdruck des menschlichen Kunstwollens und versinnbildlichen die Verbindung zwischen Himmel und Erde. Die Architektur macht das in aufstrebenden Turmanlagen, Fensterfassaden, die den Innenraum mit Licht durchfluten, oder erhöhten Standorten erfahrbar. Seit der Wende zum 20. Jahrhundert erhalten auch ingenieurstechnische Bauwerke wie der Eiffelturm und oder utopische Architekturen wie das im Entwurf 300 Meter hohe ›Monument für die III. Internationale‹ von Wladimir Tatlin symbolische Bedeutungen. Dan Flavin reflektiert Tatlins Entwurf in der Staffelung von Leuchtstoffröhren, welche die für das ›Monument‹ vorgesehenen Materialien Glas und Metall und dessen lichten Charakter aktualisieren.
Der Kolonialismus hat auch in deutschen Museumssammlungen und Städten Spuren hinterlassen, nicht nur in den von nicht-westlicher Kunst beeinflussten Werken der europäischen Avantgarden. Diese Verflechtungen und Provenienzen der Objekte sichtbar zu machen und neue Perspektiven zu entwickeln gehören zu den Zielen einer dekolonialistischen Kunstgeschichte. Kolonialismus fängt nicht erst 1492 mit der »Entdeckung« Amerikas an, doch dieses Datum gilt als Beginn seiner weltweiten Ausbreitung. Ein Ereignis aus der Zeit der Museumsgründung ist die brutale Zerschlagung des Königreichs Benin durch britische Truppen 1897. Königlicher Besitz wird konfisziert, nach Europa gebracht und dort auf dem Kunstmarkt veräußert. Über 1000 Benin-Bronzen gelangen in deutsche Museen, darunter auch ›Uhumnw-elao‹ (Gedenkkopf eines ›Oba‹). Das Museum Folkwang nimmt seit 2021 an dem Digital-Benin-Projekt der Benin-Dialog-Gruppe teil, der der Königshof Benin, das Edo State Government und die National Commission for Museums and Monuments Nigeria sowie sämtliche europäische Museen mit bedeutenden Benin-Sammlungen angehören. In Essen bietet der Verein EXILE Stadtrundgänge zum Thema Kolonialismus an.
Der Kontrast zwischen der Überfülle der modernen Großstadt und der Abgeschiedenheit des landschaftlich reizvollen Dorfes fordert Künstler:innen seit dem 19. Jahrhundert immer wieder heraus. Auf der einen Seite die Vielzahl der Fassaden und Dächer, die Dynamik technischer Bauwerke, auf der anderen Seite einsame Dorfstraßen und Kleinstädte, in denen die Zeit stillzustehen scheint. Über Beobachtungen wie diese hinaus liefert die Architektur häufig zugleich auch das Baumaterial für den Bildaufbau. Die architektonischen Formen werden in fest gefügte geometrische Körper übersetzt oder – wie bei Robert Delaunay – zerlegt und auf der Leinwand neu zusammengefügt. Die Arbeitsweise der Architekt:innen und Ingenieur:innen – Konstruktion und Montage – findet so ihre Fortsetzung und Erweiterung in den künstlerischen Bildwelten.
Der Mensch in seiner Existenz, seiner Würde, seinen Rechten – das sind die zentralen Themen, um die sich das Werk von HAP Grieshaber dreht. Die Unterdrückung, die er durch die Nationalsozialisten erfuhr, aber auch das Erleben von Krieg und Gefangenschaft ließen ihn zu einem Künstler werden, der mit seinem Werk immer wieder engagiert zu politischen und gesellschaftlichen Fragen Stellung bezog. Obwohl Grieshaber eine erstaunliche Bandbreite an künstlerischen Aktivitäten entfaltete und neben grafischen Einzelblättern und Mappenwerken auch Buchillustrationen, Gedenkblätter, Flugschriften und – nicht zuletzt – Plakate schuf, realisierte er den größten Teil dieser Werke im Holzschnitt. Das Museum Folkwang verfügt über einen reichen Bestand an Werken HAP Grieshabers. Einen Schwerpunkt der Sammlung bilden die Holzschnittserien, die in den 1960er Jahren entstanden und zu den wichtigsten Arbeiten in Grieshabers gesamtem Werk gehören. Die thematische Bandbreite dieser Serien, die in aller Regel kurz nach ihrer Entstehung für das Museum Folkwang erworben wurden, ist bemerkenswert: Neben Holzschnittfolgen, die musikalische Werke illustrieren, stehen solche, die politische oder gesellschaftliche Themen aufgreifen. In der Folge ›Die dunkle Welt der Tiere‹ (1959) stehen Mensch und Tier gleichberechtigt nebeneinander oder scheinen – wie im Falle der »Vogelmenschen« – miteinander zu neuen Wesen verwachsen zu sein. In ihren prägnanten, von geschwungenen Linien geprägten Umrissen und der sparsam eingesetzten Binnengliederung unterscheiden sich die fünf Blätter dieser bereits 1959 veröffentlichten Serie deutlich von den übrigen in der Ausstellung präsentierten Folgen Grieshabers, die in den 1960er Jahren entstanden sind. (Vgl. Inv.-Nr. A 75/60 und A 77/60) Grundlage der Serie ›Dem Feuervogel‹ (1961) ist das Ballett ›Feuervogel‹ von Igor Strawinsky, das 1910 in Paris uraufgeführt wurde. Fünfzig Jahre später entwarf Grieshaber das Bühnenbild und die Kostüme für eine Aufführung des Stücks an den Städtischen Bühnen Heidelberg. Aus dieser Beschäftigung mit dem Thema entstand 1961 die Folge von zehn Holzschnitten, wobei es sich entgegen dem ersten Augenschein um Drucke von nur jeweils einem Stock handelt, der unterschiedlich eingefärbt wurde. Die Darstellung orientiert sich an den Bühnenbildentwürfen. (Vgl. Inv.-Nr. B 2/62_01 und B 2/62_04) Das Grundthema der Serie ›Baumblüte‹ (1963) ist die Darstellung des Menschen im Einklang mit der Natur. Auf sechs Farbholzschnitten variiert Grieshaber die Darstellung einzelner Menschen oder Paare in der wiedererwachten Natur. Als verbindendes Element dienen weiße Baumblüten, die auf sämtlichen Blättern der Serie zu finden sind. Es ist von eigenem Reiz, dass Grieshaber die Darstellung dieses denkbar zarten Motivs auf vergleichsweise mechanische Weise realisiert hat: Er stanzte die Blütenformen mithilfe verschiedener zahnradähnlicher Werkstücke in die ansonsten bereits fertig geschnittenen Holzstöcke. (Vgl. Inv.-Nr. B 5/63_4 und B 5/63_5) »Einmal wollte Grieshaber sein heutiges Leben an der Achalm mit dem seiner frühen Kindheit in Oberschwaben verknüpfen, die Heimat mit seinen Augen wiedersehen und erfassen. Am Ostersonntag 1963 endlich packte er seinen Traum bei den Ohren: Er zog seine Islandstute Sweina aus dem Stall, sattelte sie, steckte Skizzenbuch, Rasierzeug und Zahnbürste in die Satteltaschen, winkte Frau und Kind zum Abschied und ritt davon« (Riccarda Gregor-Grieshaber). Ergebnis dieser Reise sind die 39 Holzschnitte des ›Osterritts‹ (1964), zu denen Riccarda Gregor-Grieshaber, die Frau des Künstlers, Texte nach den Erzählungen ihres Mannes schrieb. (Vgl. Inv.-Nr. B 4/64_08 und B 4/64_38) Grieshaber widmete die Folge ›The Lord's Black Nightingale gewidmet‹ (1964) der im Titel als »Gottes schwarze Nachtigall« umschriebenen Gospelsängerin Mahalia Jackson (1911–1972). Bereits darin wird die politische Ausrichtung dieser in der Zeit des US-amerikanischen Civil Rights Movement entstandenen Serie deutlich. Thema der Farbholzschnitte ist das Leben schwarzer Amerikaner in den Vereinigten Staaten, das Grieshaber in gedeckten, an Naturfarben orientierten Tönen schildert, beginnend mit der programmatischen Darstellung einer »black family«. (Vgl. Inv.-Nr. B 6/64_01 und B 6/64_02) In seinem 1937 komponierten Hauptwerk ›Carmina Burana‹ (Lieder aus Benediktbeuern) griff Carl Orff auf Texte mittelalterlicher Vagantenlieder zurück, die in einer um 1230 entstandenen Handschrift aus der Bibliothek des Klosters von Benediktbeuern überliefert sind. Diese Handschrift enthält einige Illustrationen, die Grieshaber vermutlich kannte und auf die er mit seinen Darstellungen zur ›Carmina Burana‹ (1965) teilweise reagierte. Eine Besonderheit der Serie liegt in der Kombination der 13 Farbholzschnitte mit Notenseiten, die Carl Orff eigens für diese Edition schuf. (Vgl. Inv.-Nr. B 5/65_05 und B 5/65_14) Grieshaber folgte hier dem Vorbild des 1805 zerstörten ›Totentanz der Stadt Basel‹, dessen Motive in einem Büchlein des 19. Jahrhunderts bildlich dokumentiert sind. Ohne Ansehen der Person bittet der Tod die Menschen zum Tanz – vom Papst zum Heiden, vom Kaiser zum Maler (worin Grieshaber sich selbst wiedererkannte). Grieshaber realisierte die Mehrfarbigkeit der Blätter zum ›Totentanz von Basel‹ (1966), indem er jede Farbe mit einer eigenen Platte drucken ließ. Die erste öffentliche Präsentation des ›Totentanzes‹ erfolgte im Juli 1966 zeitgleich in Leipzig – wo die Serie gedruckt wurde – und in Essen. (Vgl. Inv.-Nr. A 80/66_37 und A 80/66_40) Grundlage der Serie ›Polnischer Kreuzweg‹ (1967) war Grieshabers Auftrag zur Gestaltung eines Kreuzwegs für die Bruchsaler Hofkirche, die zwischen 1960 und 1966 nach ihrer vollständigen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut worden war. Grieshaber malte zunächst vierzehn Entwürfe für Bruchsal in den Maßen 70 x 80 Zentimeter und schuf nach dieser Vorlage die etwas kleineren Blätter der Holzschnittserie. In der Buchausgabe der Serie kombinierte Grieshaber die Holzschnitte mit Meditationen des damaligen Primas von Polen, Stefan Kardinal Wyszynski. (Vgl. Inv.-Nr. B 2/67_03 und B 2/67_11) Die Holzschnitte des ›Kreuzwegs der Versöhnung‹ (1969) stehen noch enger als die des ›Polnischen Kreuzwegs‹ mit Grieshabers Auftrag zur Gestaltung des Kreuzwegs für die Bruchsaler Hofkirche in Verbindung. Grieshaber entschied sich, diesen Kreuzweg in Form von Holzstocktafeln zu realisieren. Vor ihrer Installation als Wandreliefs druckte Grieshaber von diesen Tafeln eine kleine Auflage und veröffentlichte diese als Serie. Stilistisch unterscheiden sich die Folgen deutlich. (Vgl. Inv.-Nr. A 34/70 und A 48/70) Die Serien werden im Katalog zur Ausstellung ›HAP Grieshaber. Serien und Plakate‹ vollständig abgebildet.
Der menschliche Körper kann auf unterschiedliche Weise im Zentrum künstlerischer Auseinandersetzung stehen. Er wird erkundet, erweitert und zerteilt, die Leiblichkeit wird schonungslos offengelegt. In der sinnlichen Annäherung gerät seine Verletzlichkeit in den Blick, die bis zum Schmerz und körperlichen Verfall gesteigert wird. Zugleich verweisen einzelne Gliedmaßen auf die Möglichkeit der Zergliederung und rufen in ihrer Befreiung von jeglicher Funktion Ironie hervor. In den verschiedenen Umsetzungen geht es den Leinwänden auch buchstäblich an den Leib, sie werden mit Wunden versehrt und organisch verformt. Die künstlerische Beschäftigung mit innerer und äußerer Verfasstheit kann Betrachterinnen und Betrachter dazu anregen, sich ihrer eigenen Körperlichkeit von Neuem bewusst zu werden.
Der spätere Architekt und Direktor der Bauhausschule in Dessau, Walter Gropius (1883 Berlin – 1969 Boston), vermittelte 1908/09 zusammen mit dem Kunsthistoriker Hans Wendland im Auftrag Osthaus’ Keramikfliesen aus Spanien nach Hagen. Gropius und Osthaus waren seit ihrer ersten Begegnung 1908 in Spanien in engem Kontakt. Nach seinem abgebrochenen Architekturstudium bereiste Gropius Spanien und arbeitete zeitweise in einer Keramikwerkstatt, in Tirana bei Sevilla. Dort entwarf der Fliesenbilder, die er später in seinen Bauten als Raumdekoration einsetzen wollte. Osthaus vermittelte den Architekten später über van de Velde an die Weimarer Kunstgewerbeschule, aus der das Bauhaus hervorging. Für Osthaus war die Begegnung mit der islamischen Kunst ein Initialerlebnis gewesen. Während seiner Tunesienreise 1898 entstand sein Plan, anstatt eines Naturwissenschaftlichen Museums eine Kunst- und Kunstgewerbesammlung aufzubauen. Dem Ornament kam in der Kunst der Dynastie der Fatimiden (909 – 1171), aus der die maurische Kunst (11. Jhd. – 1492) in Spanien hervorging, eine zentrale religiöse Rolle zu. Da es verboten war, durch Bilder das göttliche Wesen zu verherrlichen, nutzte man die Geometrie als Sinnbild göttlicher Weisheit. Während die Ornamentik der Fatimiden im Wesentlichen in Reliefs und Intarsien Anwendung fand, entwickelte man an den maurischen Höfen in Marokko und Spanien das Ornament in der farbigen Fliesengestaltung weiter. In der späteren Fliesengestaltung in Spanien werden Einflüsse der Gotik und der italienischen Renaissance sichtbar. Naturalistische Pflanzenmotive beginnen seit dem christlichen 16. Jahrhundert dominieren und die abstrakten Ornamente zu verdrängen.
Die Begeisterung vieler deutschsprachiger Künstler des 19. Jahrhunderts für Italien führte nicht allein dazu, dass italienische Motive weiteste Verbreitung in Zeichnung und Malerei erfuhren. Auch die Welt der Alpen, deren Überquerung einem jeden Aufenthalt in Italien voranging, fand reichlich Niederschlag in der Kunst dieser Zeit. Von besonderem Interesse sind dabei Zeichnungen, die vor Ort entstanden und damit den unmittelbaren Eindruck einer bestimmten landschaftlichen Situation festhielten. Als besonders dienlich erwiesen sich hierzu Skizzenbücher, in denen optische Eindrücke rasch mit dem Bleistift erfasst werden konnten. Auch Ludwig Richter zeichnete in Skizzenbücher, als er im Sommer 1823 als Zwanzigjähriger alleine nach Italien reiste und diese Reise ausgiebig dazu nutzte, auch in Ausflügen und Wanderungen abseits seiner eigentlichen Route markante landschaftliche Besonderheiten aufzusuchen und zu zeichnen. Allein die Grafische Sammlung im Museum Folkwang bewahrt 15 Bleistiftzeichnungen Richters, die während dieser Reise entstanden sind. Aufgrund der präzisen Beschriftung und der häufig auf den Tag genauen Datierung der Blätter ist es möglich, die damalige Reiseroute Richters anhand dieses Bestandes nachzuvollziehen. Am 8. August 1823 entstanden vier Zeichnungen vom Traunfall bei Lambach, das nordöstlich von Salzburg liegt, wo Richter sich vom 27. Juni bis zum 5. August aufgehalten hatte. Danach machte sich Richter nach Süden auf und zeichnete am 13. und 14. August die bei Golling an der Salzach gelegenen ›Öfen‹ – ineinandergestürzte Felsen, durch die sich die Salzach ihren Weg bahnt. Dann wanderte Richter die Salzach entlang in Richtung Lend, das er am 15. August erreichte und in dessen Nähe er eine enge Felsklamm festhielt, durch die sich der Fußweg bahnte. Von Innsbruck aus, wo Richter am 24. August ankam und bis zum 5. September blieb, überquerte er im Morgenrot des 6. September den Brenner, wovon eine weitere Zeichnung zeugt, auf der Richter mit knappen Worten die faszinierende Wirkung des morgendlichen Lichts fixiert: „die Hörner golden glänzend / blau feuchte Schatten“. Neben solch nahsichtigen Landschaftsausschnitten, wie sie dem Wanderer sehr häufig zu Gesicht kommen, zeichnete Richter auch die seltener zu sehenden großen Panoramen, etwa das ›Tännengebirge‹ oder den Blick auf den ›Untersberg bei Salzburg‹, der sich hinter einer breiten Ebene erstreckt. Unabhängig von der Frage des gewählten Ausschnitts faszinieren Richters Alpen-Zeichnungen durch die Unmittelbarkeit, mit der er das Gesehene festgehalten hat, jenseits der bis dato üblichen Konventionen zum Bildaufbau einer Landschaftszeichnung, wie sie nur wenige Jahre zuvor noch von Adrian Zingg formuliert und beachtet worden waren. Jenseits solcher Skizzenbuchblätter entstanden auch großformatigere Zeichnungen, etwa Karl Ludwig Seegers Darstellung des ›Jochbergs‹ in den bayerischen Voralpen, bei der trotz der taggenauen Datierung auf den 19. Mai 1834 aufgrund ihrer Größe nicht klar zu entscheiden ist, ob sie aus der unmittelbaren Anschauung entstand, oder ob Seeger kleinere Skizzen als Grundlage verwendete, die er dann in ein größeres Format übertrug. Gleiches gilt für Christian Morgensterns wenige Jahre jüngere Darstellung des ›Schwarzen Sees in den Vogesen.‹ Beide Blätter verbindet ein großes Interesse an der Darstellung der jeweils sehr unterschiedlichen geologischen Charakteristika.
Die Eleganz ostasiatischer Lackarbeiten lässt kaum erkennen, wie anpassungsfähig und haltbar der ihnen zugrunde liegende Werkstoff ist. Der Saft des in Ostasien beheimateten Lackbaums – Rhus vernicifera – wird aus Schnittwunden seiner Rinde gewonnen und in vielen Schritten gereinigt, entwässert und gefärbt. Schwarz und Rot dominieren in einer eingeschränkten Farbskala, da nur wenige natürliche Pigmente der zersetzenden Kraft des flüssigen Lacks standhalten. In hauchdünnen Schichten aufgetragen, benötigt der Lack bei hoher Luftfeuchtigkeit mehrere Tage, um zu trocknen. Einmal voll ausgehärtet, erweist er sich aber als höchst resistent gegen Wasser, Säuren und Laugen, gegen Alkohol und Lösungsmittel jeder Art. Eine ganz eigenständig und traditionell sehr verbreitete japanische Lacktechnik ist das Streubild – maki-e. Literarisch schon seit dem 9. Jahrhundert nachweisbar, datieren die ältesten erhaltenen Objekte aus dem 10. Jahrhundert. Unter dem Streubild versteht man ein Verfahren, bei dem der auf eine gehärtete Lackfläche mit Lack aufgetragene Dekor vor dem Trocknen mit Gold- oder Silberpulver bestreut wird. Das Pulver kann durch abgestufte Tönung und Konsistenz, aber auch durch unterschiedlich dichte Streuung eine breite Spannweite von Wirkungen erzielen. Eine weitere Steigerung der Ausdrucksmöglichkeiten ergibt sich durch ein ganz flaches Aufstreuen (hiramaki-e) oder das Bestreuen eines reliefartig erhabenen Dekors (takamaki-e), schließlich durch eine besonders weich erscheinende Variante, bei der ein flacher Streudekor mit Lack in der Farbe des Untergrundes vollständig bedeckt und nach dem Aushärten behutsam wieder herauspoliert wird (togidashi maki-e). Einen in der Wahl der Techniken und im Dekor ganz neuartigen Stil repräsentiert ein Schreibkasten aus der frühen Edo-Zeit. Diese flachen Kästen enthielten Tuschebarren, Wassertropfer und Tuschreibstein sowie Pinsel und damit alle zum Schreiben und Malen erforderlichen Utensilien. Für die japanische Lackkunst stellen sie Behältnisse von besonderer Bedeutung dar, sind sie doch fast ausnahmslos mit Lack verziert. In der Kombination flacher Streutechniken mit Einlagen aus Blei, in seiner großflächig angelegten Diagonalkomposition wie vor allem mit seinem Kranichmotiv nimmt der Dekor unmittelbar auf Vorbilder der Rimpa-Schule und ihres herausragenden Genius Hon’ami Kōetsu (1558–1637) Bezug. Die Teekultur mit ihren festgeschriebenen Regeln und Utensilien wurde von japanischen Mönchen nach ihrem Aufenthalt in südchinesischen Zen-Klöstern im 12. Jahrhundert in Japan eingeführt. Dort kamen entweder originales chinesisches Teegerät zum Einsatz oder Gefäße, die sich eng an chinesischen Vorbildern orientierten. Ein gutes Beispiel hierfür ist der japanische Schalenstand, der in das 15. bis 16. Jahrhundert datiert – einer Zeit, die sich unter dem Einfluss der Ashikaga-Shogune ganz dem Leitbild der chinesischen Kultur verschrieb. Er ist in negoro nuri verziert, einer nach dem Negoro-Tempel benannten Technik, bei der der Schwarzlack vollständig mit darüber gelegtem Rotlack bedeckt wird. Als unmittelbare Vorlage dienten die monochromen Lacke der Song-Zeit, an die sich auch die blütenförmig geschweifte Einfassung des Schalenstands anlehnt. Bei jahrelangem Gebrauch wurde die Rotlackfassung der Gefäße an besonders beanspruchten Stellen abgerieben, so dass der darunter liegende Schwarzlack zum Vorschein kam. Diese Streifen oder Flecken wurden jedoch nicht als beeinträchtigend empfunden, sondern vielmehr als Steigerung der Schönheit und Ehrwürdigkeit der Objekte, weshalb man zunehmend durch künstlichen Abrieb oder sogar nachträglich aufgebrachten Schwarzlack einen künstlichen Negoro-Effekt hervorrief.
Die Entwicklung der Plakate für das Luxusreisen um 1900 wird in drei Teilen vorgestellt: Im ersten Teil wird der Übergang vom Fahrplan zum illustrierten Plakat behandelt und gezeigt, welche Entwicklung das Plakat für die Luxusreise zwischen 1880 und 1914 nahm, wie sich die Gestaltung der Reiseplakate veränderte und von der allgemeinen Plakatentwicklung relativ unbeeinflusst blieb. Im zweiten Teil wird – als Exkurs – auf die weitere Entwicklung der Luxuszüge und der Werbung für diese in den 1920er Jahren eingegangen. Themen und Schwerpunkte der Werbung für die Züge änderten sich. Nicht mehr der Luxus des Reisens stand im alleinigen Fokus, viel stärker wurde auf die Darstellung der technischen Errungenschaften gesetzt, auf die Kraft der großen Maschine, hier auf die Lokomotive als Ausdruck von Vertrauen in die neue Technik und deren Auswirkungen. Beschleunigung und Geschwindigkeit wurden als eigene Erlebniswerte der Reise vermarktet. Im dritten Teil geht es um die Ziele der Reisen, um Regionen, Orte und Hotels in Europa und z. T. darüber hinaus, die sich auf die Ansprüche, der mit dem Luxuszug anreisenden Gäste einstellten. Hotels in einzigartiger Umgebung, bester Service, Golf, Tennis, Reiten, Kutschfahrten und all das in spektakulärer Landschaft, das war das Angebot welches die zahlungskräftigen Reisenden anlocken sollte.
Die Erzählung ›Der Rebell‹ von Manfred Georg aus dem Jahr 1918 beschreibt den vergeblichen Versuch des ehemaligen Soldaten Robert Boor, der im Krieg seinen schwer verwundeten Freund Peter durch einen Kopfschuss von dessen Qualen erlöst hatte, nach Kriegsende wieder in ein geregeltes Leben zurückzufinden. Die vier Radierungen Walter Gramattés entstanden als Illustrationen zur Erstveröffentlichung des Textes. Die Folge beginnt mit dem fratzenhaft verzerrten Porträt des Erschossenen, das zwischen den Augen ein Einschussloch aufweist. Blatt 2 zeigt Robert in der Oper, abgesondert von den übrigen Besuchern, vor denen er nur Abscheu empfindet: »Und ich musste meinen Freund erschießen? Für wen denn? Für die da?« In einer alptraumhaften Vision bricht auf dem folgenden Blatt die Hauptfigur Peter sowie eine Gruppe von Krüppeln in ein Café ein: »Peter fiel das Haar vom Kopf. Sein Gesicht wurde grün. Rock und Kragen schrumpften zusammen. Lehmgrau kroch über den Mantel. Peter schlug ihn zurück. Er war nackt darunter. Verschmutzte Rippen ragten fast bloß. Stachen gemein heraus. Grauenhaft aber lag im Bauch ein entsetzliches Loch, eitrig umfranst, durch das langsam wie aus einer Wurstmaschine sein Eingeweide quoll. […] Draußen stand lautlos, wie im Sprunge eine Schar Krüppel, verschlissene Militärmützen auf struppigen Schädeln. Langsam hoben die Gäste die Blicke, starr, des Kommenden bewusst. Wie ein Wetter hing die unbewegliche Wolke phantastischen Elends überm Eingang.« Wie die Erzählung endet auch die Illustrationsfolge mit dem Bild eines unendlichen Stürzens: »Da schwoll in Robert ein Grauen vor dem Unentrinnbaren, dass er mit beiden Armen besinnungslos um sich schlagend auf den Boden fiel und fiel, fiel, fiel….«
Die Faszination des Reisens hat auch Künstler:innen früh erfasst. Das Unterwegs Sein wird dabei von ihnen ebenso thematisiert wie das Fremde und/oder Exotische. Was die Reisenden sehen und erleben, nehmen sie sehr unterschiedlich auf, mit Neugier oder Bewunderung, als Inspiration oder mit einem Gefühl kultureller Überlegenheit. In der Serie ›Zugvögel‹ (2005/06) hat die Fotografin Yvonne Seidel das Leben von Rentnern aus ganz Europa dokumentiert, die auf einem Campingplatz im nördlichen Afrika die Wintermonate verbringen. Diese modernen Nomaden interessieren sich kaum für ihre Umgebung; sie kommen lediglich der Sonne wegen und behalten ihre heimatlichen Lebensgewohnheiten bei. Bilder von Reisewegen und Reisezielen bleiben für die meisten Menschen über viele Jahrzehnte Sehnsuchtsmotive. Nach ersten Anfängen im 19. Jahrhundert wird der Pauschaltourismus im 20. Jahrhundert zum Massenphänomen, das immer mehr die Reisenden selbst in den Mittelpunkt stellt.
Die Friedrich Krupp Gussstahl AG feierte 1912 ihr 100-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass gründeten Margarethe Krupp sowie das Ehepaar Gustav und Bertha Krupp von Bohlen und Halbach die Krupp-Jubiläums-Stiftung. Das damalige Stiftungsvermögen in Höhe von zwei Millionen Reichsmark sollte zur Hälfte dafür eingesetzt werden, »Kunstwerke für das Kunstmuseum der Stadt Essen zu beschaffen«; als weitere Stiftungszwecke wurden soziale und karitative Ziele in der Stadt Essen festgelegt. Für die Mitglieder der Familie Krupp war soziales und kulturelles Engagement Teil ihres unternehmerischen Selbstverständnisses, das sich schon Mitte des 19. Jahrhunderts in der betrieblichen Sozial- und Wohnungsbaupolitik Alfred Krupps niederschlug. Auf dem Gebiet der bildenden Kunst wurden insbesondere Friedrich Alfred Krupp und das Ehepaar Gustav und Bertha Krupp von Bohlen und Halbach sehr aktiv, die eine große private Gemäldesammlung aufbauten und zahlreiche Aufträge an ihnen bekannte Künstler vergaben. Von diesem Interesse profitierte auch das Kunstmuseum der Stadt Essen, dessen Direktor Ernst Gosebruch einen guten Kontakt zur Familie unterhielt. Einzelne Werke gelangten so bereits vor 1912 als Schenkungen in die Museumssammlung. Mit der Gründung der Krupp-Jubiläums-Stiftung erhielt das kunstfördernde Engagement von Familie und Unternehmen Krupp institutionalisierte Form. Zu den ersten mit Mitteln der Stiftung erworbenen Werken für die Sammlung des Museums gehören u. a. Max Liebermanns ›Der Papageienmann‹ und Wilhelm Trübners ›Damenbildnis‹. Auch in den folgenden Jahrzehnten werden immer wieder Ankäufe von Gemälden deutscher Künstler unterstützt (u. a. Carl Gustav Carus, Johann Erdmann Hummel, Franz Kobell, Carl Spitzweg und Adolf Menzel). Seit den 1950er Jahren ermöglichte die Stiftung dem Museum wiederholt den Erwerb bedeutender Werke der Klassischen Moderne (u. a. Camille Pissarro, Henri Le Fauconnier, Otto Dix, Rudolf Belling und Künstler der Brücke) und der zeitgenössischen Kunst (u. a. Arman, Katharina Fritsch, Antonio Saura und Jesús Raphael Soto). Seit den 1990er Jahren werden vermehrt auch Werkgruppen und Konvolute von Fotografinnen und Fotografen mit Unterstützung der Stiftung erworben (u. a. Umbo, Joan Colom, Rineke Dijkstra und Darren Almond).
Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen durch das Großstadtleben, den Aufschwung der Industrie und die neuen technischen Errungenschaften beeinflussten in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts auch die visuelle Praxis der Wahrnehmung. Fotografie, Film und illustrierte Zeitschriften faszinierten die Avantgardisten und inspirierten sie zu Experimenten und Erkundungen. Perspektiven / Reportage / Abstraktion Die Fotografen der zwanziger Jahre erprobten die gestalterischen Möglichkeiten ihres Mediums und strebten nach einem Neuen Sehen, nach einem zeitbezogenen Ausdruck der in Bewegung geratene Umwelt. Extreme und neuartige Perspektiven, Montagen und Fotogramme sowie das Spiel mit Ausschnitten und Kontrasten zeugen von der künstlerischen Produktivität dieser Jahre. Darüber hinaus erkundeten die Fotografen ihre Umgebung; Bildjournalismus und Pressewesen florierten. Frauen Das Medium Fotografie bot in der Weimarer Republik besonders auch für Frauen, die sich nun zunehmend von der klassischen Rolle als Ehefrau und Mutter emanzipierten, ein neues Tätigkeitsfeld. Während ihre Arbeiten nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst in Vergessenheit gerieten, erfuhren sie im Museum Folkwang mit den Ausstellungen Fotografinnen (1970) und Fotografieren hieß teilnehmen (1994) eine erneute Würdigung. Künstlerinnen wie Aenne Biermann, Lotte Jacobi, Germaine Krull oder Annelise Kretschmer wurden darüber hinaus in Einzelausstellungen präsentiert. Lehrer / Schüler Die wachsende Bedeutung des Mediums Fotografie führte in den zwanziger Jahren vermehrt zur Einrichtung fotografischer Kurse an Kunstgewerbeschulen, in denen das gemeinsame Lernen und die handwerkliche Tätigkeit in Werkstätten im Vordergrund standen. Viele Fotografen übten Lehrtätigkeiten aus und prägten die Arbeitsweise ihrer Schüler: Max Burchartz und kurzzeitig auch Albert Renger-Patzsch an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen; Hans Finsler an der Handwerker- und Kunstgewerbeschule Burg Giebichstein in Halle; Walter Peterhans und László Moholy-Nagy im konstruktivistischen Umfeld des Bauhauses. Werbung Die neuen Medien forcierten auch die Entwicklung der Werbung, wobei die Fotografie einen zunehmenden Stellenwert erlangte und allmählich die Zeichnungen und Illustrationen ablöste. Der expandierende Reklamemarkt bot neue Tätigkeitsfelder, in denen Berufsfotografen, Grafiker und Künstler tätig wurden.
Die Impulse, die seit dem 19. Jahrhundert von der französischen Kunst und Kultur ausgehen, führen dazu, dass sich Paris in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem weltweit ausstrahlenden künstlerischen Zentrum entwickelt. Zahlreiche Künstler:innen, Fotograf:innen und Plakatgestalter:innen kommen in die Metropole, um sich von ihrem geschäftigen Treiben und der dort ansässigen kreativen Szene inspirieren zu lassen; auch das Varieté erfährt in den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende eine Blütezeit. Auf dem Marsfeld (Champs de Mars) finden bis 1900 fünf Weltausstellungen und andere internationale Messen für Handel und Industrie statt. Der dort anlässlich der Weltausstellung 1889 errichtete Eiffelturm findet als ein Leitmotiv der Moderne Eingang in zahlreiche Bildwerke, Fotografien und Plakate und wird so zu einem bis heute fortbestehenden Wahrzeichen der französischen Hauptstadt.
Die Industrialisierung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts überformte nicht nur ältere Landschaftsbilder, sondern brachte auch gänzlich neue Berufe und Arbeitsplätze hervor. Ernst Isselmanns Gemälde ›Brücke in Duisburg‹ und die von Christine Steiner fotografierte Serie ›Mehr als ein Arbeitsplatz‹ markieren mit einem Abstand von einhundert Jahren den Wandel der Arbeit und der künstlerischen Wahrnehmung ihrer Räume und Geräte. Menschenleere Büros und Konferenzräume zeugen bei Steiner von Normen und eingeübten Ritualen im beruflichen Miteinander, während Germaine Krull in ihrem 1928 erschienenen Mappenwerk ›Mètal‹ von der symbolischen und utopischen Kraft neuer Werkstoffe und Formen berichtet. Im Kontrast dazu stehen die idealisierte Figur eines Arbeiters von Constantin Meunier, fotografierte Berufsbilder oder die Gemälde von Max Liebermann und Chaim Soutine.
Die Jugend ist eine Zeit des Übergangs. Jugendliche empfinden sich selbst nicht mehr als Kinder und gelten den Älteren noch nicht als erwachsen. Die Jugend ist seit Jahrhunderten in ihrer Ambivalenz Inspiration für künstlerische Bildfindungen. In den Werken zeigt sich die Vielfalt dieser Lebensphase: Die Figuren erproben Ausdrucksformen für ihre sich entwickelnde Sexualität oder veranschaulichen das Uneindeutige der Geschlechter. Der Jüngling auf dem Gemälde Edvard Munchs, das ursprünglich zu einem Zyklus von Darstellungen verschiedener Lebensalter gehörte, präsentiert sich dem Betrachter männlich-selbstbewusst; Aristide Maillol verleiht seiner ›Stehenden‹ eine Haltung innerer Ruhe und Gelassenheit. Roland Kopps Fotografien von Jugendlichen auf dem Dorf hingegen machen deutlich, dass mit dem Erwachsenwerden auch die Unbeschwertheit der Kindheit verloren geht.
Die künstlerische Arbeit Andreas Köchlers ist von dem Anspruch geprägt, mit den Mitteln von Sprache und Kunst das persönliche Traumerlebnis in die Welt des Bewusstseins zu transponieren. Ganz essentiell ist dabei der Anspruch, den „Verlust von ursprünglichem Erlebnis zu vermeiden, ebenso Verfälschung durch Überarbeitung. Zeitnahe, unverfälschte Wiedergabe ist Arbeitsprinzip“ (Köchler). Zu diesem Zweck hat der Künstler eine Arbeitsweise entwickelt, die sich in drei Bereiche gliedert. Unmittelbar nach dem Erwachen werden die Erinnerungen an das im Traum Erlebte in Worte gefasst. Geschah dies anfangs durch schriftliche Notizen, ging Köchler später dazu über, Texte auf Band zu sprechen, um eine größere Unmittelbarkeit zu gewährleisten. Im Anschluss an die Sprachaufzeichnung – und damit immer noch unter dem Eindruck des Erinnerten – entstehen großformatige Aquarelle, die keine konkrete Situation figurativ festhalten oder illustrieren, sondern als bildnerische Annäherung an Formen der Erinnerung verstanden werden können, die der Sprache nicht zugänglich sind. In einem dritten Schritt vollzieht Köchler eine Ausdeutung des Traumgeschehens mithilfe kleinformatiger Fotografien, die zum Teil bildnerische Elemente der Aquarelle paraphrasierend aufgreifen.
Die Mode des Japonismus hat auch auf Osthaus und seine Sammeltätigkeit gewirkt. Während ostasiantisches Kunsthandwerk in vielen zeitgenössischen Privatsammlungen und Künstlerateliers zu finden war, gelang es Osthaus auch eine umfangreiche Gruppe buddhistischer Plastik zusammenzutragen. Als diese Sammeltätigkeit bekannt wurde, erhielt er zahlreiche Angebote aus Handel und Privatbesitz. Über Mitglieder von Ostasien-Handelsgesellschaften und Expeditionskorps der Kolonialmächte waren Objekte auf den europäischen Kunstmarkt gelangt, die ursprünglich nicht für den Export und auch nicht für den Handel produziert worden waren. Die Soldaten der Militäreinsatzes gegen den Boxer-Aufstand in China beispielsweise plünderten den Sommerpalast des chinesischen Kaisers und brachten Objekte als Souvenir auch mit nach Deutschland. Als einer der wenigen Staaten Südostasiens hatte sich Thailand erfolgreich der europäischen Kolonisation widersetzen können. Die traditionelle Architektur und Plastik Thailands geht auf die Epoche der Sukhothai (1238 – 1350) zurück, in welcher der Buddhismus zur Staatsreligion erklärt wurde. In der religiösen Kunst des Landes finden sich Einflüsse aus Indien, Kambodscha und China. Die Darstellungen Buddhas folgen strengen Regeln, die beispielsweise festlegen, dass die Schultern so rund wie der Kopf und die Arme so geschmeidig wie der Rüssel eines Elefanten sein sollten. Die erhobene Hand soll Angst vertreiben. Die Skulpturen der Mönche stellen die Schüler Buddhas (Arhats) bei der Diskussion der Lehren oder bei der Einübung der Meditation dar. Isolierte Buddha-Köpfe, wie sie in vielen europäischen Sammlungen zu finden sind, sind unüblich in der traditionellen buddhistischen Kunst. Der menschliche Körper wird immer als Gesamtheit repräsentiert.
Die New Yorker Künstlerin Jill Baroff macht in ihren seit 2002 entstehenden ›Tide Drawings‹ einen natürlichen Prozess zur Grundlage ihrer Arbeit: Sie überführt den Wechsel von Ebbe und Flut in eine künstlerische Form. Ausgangspunkt sind die Gezeitentafeln unterschiedlicher Gewässer, die in umfangreichen Datenreihen die wechselnden Pegelstände mit Datum und Uhrzeit dokumentieren. Im Falle der Serie ›New York Harbor March 31 – April 30 2005‹, die auf den Pegeldaten des im Titel genannten Zeitraums beruht, dienen die Messdaten fallenden Wassers als Grundlage für die Reihung vertikaler Linien und die Messdaten steigenden Wassers als Grundlage der horizontalen Linien. Die Abstände zwischen den hauchdünnen Linien sind davon abhängig, wie stark sich der Pegel von einer Messung zur nächsten verändert hat. Da die Unterschiede zwischen den einzelnen Messungen umso geringer werden, je mehr sich der Wasserstand dem Gezeitenwechsel nähert, rücken an den entsprechenden Bereichen der Zeichnung die roten Linien immer dichter nebeneinander, bis das Weiß des Papiers völlig verdeckt wird. Der Gezeitenwechsel verlagert sich zeitlich von Tag zu Tag und so verlagern sich im Verlauf der Serie auch die Bereiche der Verdichtung von einer Zeichnung zur nächsten.
Die prinzipielle Veränderung in der Landschaftsdarstellung an der Wende zum 19. Jahrhundert, die sich als allmähliche Loslösung von überkommenen Kompositionsprinzipien zugunsten einer stärker der Realität verpflichteten Darstellungsweise beschreiben lässt, ist auch an den Detailstudien jener Jahre ablesen, die in der Grafischen Sammlung des Museum Folkwang bewahrt werden. So erweckt die bereits um 1780 entstandene Rötelzeichnung ›Bäume‹ von Adrian Zingg weniger den Eindruck, eine real beobachtete Situation wiederzugeben, als vielmehr dem Typus der Darstellung von Baumgruppen zu folgen, wie er häufig als Element im Vordergrund einer klassisch aufgebauten Landschaftskomposition Verwendung fand. Entsprechende Vorlagen, die dann als Versatzstücke in eine größere Darstellung eingefügt werden konnten, finden sich auch in Zinggs 1808 erschienener Mustersammlung ›Anfangsgründe für Landschaftszeichner‹. Im Unterschied dazu zeichnen sich die Studien des frühen 19. Jahrhunderts in der Sammlung des Museum Folkwang durch eine stärkere Hinwendung zur beobachteten Wirklichkeit aus. Dabei können sowohl kleinere, nahsichtige als auch solche nur aus der Ferne zu betrachtende Motive zu zeichnerischen Studien anregen, wie es die ›Pflanzenstudien‹ und die skizzenhaft erfassten ›Tannenbäume‹ von Caspar David Friedrich verdeutlichen. In dem enormen, mehrere tausend Blätter umfassenden Oeuvre des in München ansässigen Künstlers Franz Kobell machen Studien einen großen Teil aus. Dabei zeichnen sich die Blätter Kobells im Bestand des Museum Folkwang durch die Anwendung eines neuartigen Kompositionsprinzips aus – den Ausschnitt. Offenkundig wird dies an den Tuschzeichnungen ›Abhang‹ und ›Haus hinter Bäumen‹, deren Bildmotive nahsichtig und zugleich in scharfem Anschnitt präsentiert werden, wodurch das Ausschnitthafte der Komposition besonders betont wird. Ludwig Richter wählte hingegen für seine etwa gleichzeitige Studie der ›Alten Weiden‹ einen deutlich weniger stark konturierten Bildausschnitt.
Die Sammlung des Museum Folkwang wurde zwischen 1929 und 1944 in ihrer musealen Präsentation und als Einzelobjekte von dem Fotografen Albert Renger-Patzsch (1897 Würzburg – 1966 Wamel) dokumentiert, der 1929 ein Atelier im Museum erhalten hatte. Als Karl Ernst Osthaus die Objekte der Sammlung Archäologie, Weltkunst, Kunstgewerbe im Museum Folkwang in Hagen gezeigt hatte, stellte er sie den anderen Kunstwerken gleich und integrierte sie stellenweise in die vegetative Architekturornamentik Henry van de Veldes. Der Museumsbau des Architekten Edmund Körner in Essen gab den Objekten 1929 einen puristischen Rahmen. Die schlichte, ornamentlose Präsentation entsprach dem propagierten »sachlichen« Blick, wie er sich auch in zeitgenössischen Kunstbüchern zeigte. Seinen Fotografien der Glasobjekte sind die Erfahrungen anzumerken, die er als Fotograf industrieller Glaswaren der Jenaer Werke gesammelt hatte. Ihm gelingt durch Einsatz vielfältiger Lichtquellen, die Glasobjekte zum Leuchten zu bringen und ihre Materialität zu betonen. Albert Renger-Patzsch hatte ab 1922 das Bildarchiv des Folkwang-Verlages geleitet, bis er sich 1925 als Fotograf selbständig machte. In seinem programmatischen Buch ›Die Welt ist schön‹ (1928) finden sich neben Aufnahmen von Landschaften Fotografien von Industrieanlagen und Industrieprodukten.
Die Sammlung japanischer Theatermasken – Larven – im Museum Folkwang umfasst 29 Objekte und zählt damit zu den größeren Beständen dieser Art in Europa. Die Sammlung setzt sich je zur Hälfte aus Larven des mittelalterlichen Tanztheaters Nô und der Komödie Kyôgen zusammen. Nô und Kyôgen gehören zusammen und verkörpern Gegensätze; sie charakterisieren Ernst und Lachen, Pathos und Parodie, Geisterwelt und Diesseits. Gegenüber ihrem ursprünglichen Gebrauch in religiösen Volkstheatern veränderte sich die Verwendung und Bedeutung dieser Masken unter dem Einfluss der Fürsten, welche die Tradition des Theaters fortführten. Der Gebrauch der Larven im Nô und besonders im Kyôgen wurde stark eingeschränkt. Im Nô durfte nur der führende Spieler Shite sowie sein Begleiter Gesichtsmasken tragen, im Kyôgen kommen die Masken nur in wenigen Stücken zum Einsatz. Die Gesichtsmasken sind aus gefasstem Holz hergestellt, stammen mehrheitlich aus dem 16. bis 19. Jahrhundert und weisen unterschiedliche Gebrauchsspuren auf. Die unterlebensgroßen Larven bedecken das menschliche Gesicht nicht ganz; unter der Maskierung bleibt der Spieler, der die Figur zum Leben auf der Bühne erweckt, selbst sichtbar. In der Sammlung haben sich zwei unterschiedlich zu datierende, besonders fein gearbeitete Kyôgen-Larven erhalten, die eine einfache, nicht so schöne Frau darstellen und Oto oder auch Okame genannt werden. Die Okame als Frauenmaske ist repräsentativ für das Kyôgen, während die Larve Ko-omote, die ebenfalls eine junge Frau darstellt und möglicherweise von dem namhaften, 1704 gestorbenen Schnitzer Kodama Ômi stammt, als die prägende Frauenlarve für das Nô steht. Eine Verwandlung dieser jungen und schönen Frau in eine ältere, wahnsinnige, begegnet uns in der Larve Deigan (Schmutzauge), die von dem Schnitzer Deme Kogenkyû Mitsunaga (gestorben 1672) stammen könnte, einem Lehrer Kodama Ômis. Die Technik der Rückseitenbearbeitung verweist möglicherweise auch auf die Hand des 1715 verstorbenen Meisters Deme Tôhaku. Ende des 19. Jahrhunderts erlangte japanisches Kunsthandwerk in Europa große Beliebtheit. Japan war es gelungen, nach der erzwungenen Öffnung des Landes durch die USA, seine politische und kulturelle Souveränität zu bewahren und die Wirtschaft der westlichen Industrialisierung anzugleichen. Erstmals gelangten nun Objekte aus Japan auf den Europäischen Kunstmarkt, die nicht für den Export produziert worden waren, sondern auch dort hoch geschätzt wurden. Wie andere zeitgenössische Künstler hatte auch der Düsseldorfer Akademieprofessor und Maler Benjamin Vautier eine umfangreiche Sammlung von Theatermasken erworben, die aus seinem Nachlass in das Museum Folkwang gelangten.
Die Serie ist die früheste Bildfolge zu Büchners Erzählung über den psychisch labilen Schriftsteller Jakob Lenz. Dessen Geisteszustand verschlechtert sich zusehends, bis er sich eines Mordes bezichtigt, den er gar nicht begangen hat, und schließlich in einem Zustand dauerhafter Teilnahmslosigkeit fortexistiert: »Er schien ganz vernünftig, sprach mit den Leuten; er tat alles wie es die andern taten, es war aber eine entsetzliche Leere in ihm, er fühlte keine Angst mehr, kein Verlangen; sein Dasein war ihm eine notwendige Last – – So lebte er hin.« Walter Gramatté erkannte sich in dieser Figur wieder. In einem Brief an Walther Merck vom 1. Juni 1924 schilderte er, der bereits an den Platten zu Lenz arbeitete, seine damalige Verfassung: »Und so müde, Walla, so assez so sehr. Keine Arbeit, ganz tot alles, mit Büchner quäle ich mich noch ab u. zu, ›Lenz‹. So ist mir wie ›Lenz‹ immer, manchmal hell und dann immer tiefer und dunkler. So unnütz, so überflüssig gehen alle Tage hin…«. Kurz nach Fertigstellung der Platten schrieb er am 17. Oktober 1924 an den befreundeten Kunsthistoriker und Schriftsteller Wilhelm Niemeyer: »Du bist es, der den ›Lenz‹ in mein Herz pflanzte, und es gibt außer uns beiden wohl niemand, der so mit dem Werk verwachsen wäre. Und damals schon musst Du gewusst haben, dass dieser Kampf des ›Lenz‹ auch zu einem kleinen Teil wenigstens in mir tobte, und dass ich ein Stück meines eigenen Lebens darin sah und darin zu geben hoffte.« Im Unterschied zur Bildfolge ›Wozzeck‹ schildert Gramatté hier keine einzelnen Episoden, sondern konzentriert sich auf die Schilderung der wechselnden Gemütsverfassung der Hauptperson, eingebunden nur von zwei Naturdarstellungen: »Die erste hat geballte Wolken, Sonne, Gewitter, Schwarz, Weiß und darin eine schwarze Tanne, die andere ist die Gleiche, aber still, grau, abgekämpft und ohne Schmuserei, ist ganz auf Zeichnung gestellt. Dazwischen verzweifelt, klagt, trauert, krankt, verebbt Lenz.« (Brief an Wilhelm Niemeyer, 25. September 1924). Die Bildfolge erschien als gebundenes Buch mit dem Text Büchners als siebte Veröffentlichung der Edition ›Hamburger Handdrucke‹ in einer Auflage von 150 Exemplaren. Daneben hat sich eine kleine Zahl von Probeabzügen erhalten, zu denen auch das vorliegende Expemplar gehört.
Die Stiftung wurde 1934 von dem Unternehmer und Kaufmann Eugen von Waldthausen (1855–1941) im Andenken an seine Ehefrau Frau Agnes, geb. Platzhoff (1861–1927) gegründet. Als Stiftungszweck bestimmte Eugen von Waldthausen die Aufgabe, »zur geistigen Entwicklung der Bürger der Stadt Essen« beizutragen, indem »der Kunstsinn und das Interesse für das Schöne« angeregt und gefördert werden. Der darin zum Ausdruck gebrachte Wunsch, Kunst und Bildung unmittelbar miteinander zu verknüpfen, verbindet den Stifter mit dem Museumsgründer. Großzügige Stiftungen und Schenkungen zugunsten von sozialen, medizinischen und kulturellen Einrichtungen hatten in der seit dem 18. Jahrhundert in Essen ansässigen Familie, die im Kaiserreich in den Freiherrnstand erhoben wurde, eine lange Tradition. Auch das Ehepaar von Waldthausen war bereits wiederholt als Unterstützer des Museums ihrer Heimatstadt hervorgetreten, bevor Eugen von Waldthausen dieses Engagement mit der Gründung einer Stiftung zugunsten des Museum Folkwang schließlich institutionalisierte. Die Grabstätte der Familie auf dem Friedhof Bredeney ist seit 2012 ein Ehrengrab der Stadt Essen. Dank der Unterstützung der Eugen-und-Agnes-von-Waldthausen-Platzhoff-Museums-Stiftung ist es dem Museum Folkwang immer wieder möglich, neue Werke für seine Sammlungen zu erwerben. In den 1950er und 1960er Jahren ging es dabei zunächst darum, die von Osthaus begründete Sammlung der Malerei, Plastik und Grafik zu erneuern und weiterzuentwickeln. In dieser Zeit gelangten z. B. Werke von Pablo Picasso (›Femme au corsage bleu‹), Franz Marc (›Liegender Stier‹), Max Beckmann (›Promenade des Anglais in Nizza‹), und Piet Mondrian (›Composition X‹) nach Essen. Zu den seit den 1990er Jahren zahlreichen Neuerwerbungen für die Fotografische Sammlung, die mit Hilfe der Stiftung getätigt werden konnten, gehören u. a. größere Konvolute und Werkgruppen der Fotografinnen und Fotografen László Moholy-Nagy, Ellen Auerbach, Grete Stern, Peter Keetman und sowie – in jüngster Zeit – Werke von Lynne Cohen und Thomas Struth. Auch die umfangreiche Sammlung von Plakaten Martin Kippenbergers verdankt das Museum Folkwang der Förderung durch die Eugen-und-Agnes-von-Waldthausen-Platzhoff-Museums-Stiftung.
Die Veränderungen, die sich in der Malerei der zwanziger Jahre vollzogen, lassen sich auch in Zeichnung und Druckgrafik dieser Zeit beobachten. Der Expressionismus, der die Grafik in den Jahren um den Ersten Weltkrieg dominiert hatte, verlor seinen prägenden Einfluss. Stattdessen rückte die Wiedergabe der optischen Erscheinung der Dinge bei vielen Künstlern wieder in den Vordergrund. Der Titel einer Ausstellung der Mannheimer Kunsthalle von 1925 gab dieser künstlerischen Strömung ihren Namen – Neue Sachlichkeit. Einer ihrer wichtigsten Vertreter war Alexander Kanoldt. Neben Frauenporträts galt sein Interesse vor allem der Landschaft, insbesondere dem Zusammenklang von gebauter Stadt und urwüchsiger Natur. Solche Motive fand er in Italien, das er mehrfach bereiste. Auch Erich Heckel schuf in den zwanziger Jahren Naturdarstellungen, die sich in ihrer ruhigen Abgeklärtheit deutlich von seinen älteren, expressionistischen Werken abheben. Dass Max Beckmann von seinen Zeitgenossen als Vertreter der Neuen Sachlichkeit angesehen wurde, lässt sich am ehesten mit Blick auf seine Porträts jener Jahre nachvollziehen. Eine Sonderstellung nimmt Ernst Ludwig Kirchner ein. Als seinerzeit wichtigster Vertreter der zwischen 1905 und 1913 existierenden Künstlergemeinschaft „Brücke“, fand er in den zwanziger Jahren zu einem neuen Stil, der mit seinen expressionistischen Arbeiten nichts mehr gemein hat, sich aber auch nicht der Neuen Sachlichkeit zurechnen lässt. In der Sammlung des Museum Folkwang ist Kirchner unter anderem mit einigen Porträts vertreten, zu denen eine Darstellung des damaligen Direktors des Museum Folkwang, Ernst Gosebruch, zählt. In den zwanziger Jahren erlebte auch der Konstruktivismus eine Blütezeit. Ziel der Konstruktivisten war es, Kompositionsprinzipien für Werke zu entwickeln, die sich nur aus geometrischen Formelementen zusammensetzen. Einer der Hauptvertreter war der russische Künstler El Lissitzky, der auch in Deutschland wirkte und dort großen Einfluss hatte. Die zehn Farblithografien umfassende Serie ›Sieg über die Sonne‹ von El Lissitzky aus dem Jahr 1923 konnte vor einigen Jahren für das Museum Folkwang zurückerworben werden, nachdem sie 1938 als »entartet« beschlagnahmt und verkauft worden war. Nachdem Max Burchartz 1922 im Alter von 35 Jahren einen De Stijl-Kurs von Theo van Doesburg am Bauhaus in Weimar absolviert hatte, wandte er sich konsequent einer konstruktivistischen Formensprache zu. Sicher spielte hier auch der Einfluss von László Moholy-Nagy eine Rolle, der ebenfalls als Lehrer am Bauhaus wirkte.
Die Vielfalt von Szenen am Tisch in der Kunst spiegelt die Vielfalt menschlicher Kommunikation: Familien kommen am Esstisch zusammen und tauschen sich über die neuesten Ereignisse aus. Ein Tisch im Café ermöglicht ein zwangloses Treffen, am Stammtisch in der Kneipe wird diskutiert, gespielt und getrunken. Tische sind aber auch Orte der Konzentration und Reflexion, an denen man lesen, Gedanken niederschreiben oder Dinge erarbeiten kann. Am besten gelingt das in einem abgeschiedenen Raum. Mit dem ›SleepStudySkull‹ hat das niederländische Künstlerkollektiv Atelier van Lieshout die radikale Version einer Studierklause entworfen. Wer hier die Tür hinter sich schließt, finden sich in einer engen Zelle wieder, die nichts anderes birgt als ein Bett, eine Bank und einen Tisch.
Die vollplastisch gearbeitete, 72 cm hohe Holzplastik ›Jeune fille debout‹ variiert eine ebenfalls bekleidet dargestellte Frauenfigur, die nach Aussagen von Maillol seine erste Holzskulptur war. Sie gehört damit zu den frühesten Zeugnissen der außerordentlichen Begabung dieses Künstlers, der zu den bedeutendsten Bildhauern der Klassischen Moderne gehört. Die Skulptur stammt aus dem Nachlass des Gründers des Museum Folkwang, Karl Ernst Osthaus. Maillol hatte zunächst als Maler begonnen und sich erst um 1895 für die Bildhauerei entschieden. Die wenigen erhaltenen frühen Holzfiguren des Künstlers zeigen alle denselben weiblichen Phänotypus und sehr ähnliche oder verwandte Standmotive. Eine junge Frau mit schlankem, aber etwas gedrungen wirkendem Körper steht mit geschlossenen Beinen im leichten Kontrapost, die Arme nahe am Körper. Das runde Köpfchen auf recht kurzem rundlichem Hals bewegt sich sanft über der Körperachse. Die geschlossene Kontur und der Ausgleich der Bewegungsverteilung verleiht auch den kleinen Figuren dieses Künstlers eine stille Monumentalität. Im Kontext dieses frühen bildhauerischen Werkes von Maillol stellt die Essener Figur eine der einprägsamsten und originellsten Formulierungen dar, nutzt Maillol bei ihr doch das Gewand und die kontrapunktische Variation der Haltungen von Armen und Beinen, um den Eindruck selbstbewusster Balance zu vermitteln. Die ›Jeune fille debout‹ enthält in nuce alle wichtigen Anliegen des plastischen Konzepts Maillols, seiner spezifischen Auffassung der Standfigur: Nicht nur die Vorliebe für den Typus der im Verhältnis zum klassischen Kanon etwas üppigeren und festeren weiblichen Physis sondern auch die völlig in sich ruhende Standfigur, deren Bewegungsimpulse die zentrale Körperachse umspielen bzw. die zentripetalen und -fugalen Energien in der und zur Figurenmitte ausbalancieren. In der Zusammenschau mit den in der Sammlung befindlichen Werke von Auguste Rodin, Wilhelm Lehmbruck und Alexander Archipenko, die im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert ebenfalls in Frankreich tätig waren, wird hier eine entscheidende Umbruchphase der frühmodernen Skulptur anschaulich, die bereits von Osthaus selbst aufmerksam wahrgenommen wurde: Seine wichtigsten Erwerbungen auf diesem Gebiet, neben den genannten auch Werke von George Minne und Medardo Rosso, datieren aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. Karl Ernst Osthaus und seine Frau Gertrud waren bei einem ihrer zahlreichen Besuche in Paris zufällig auf den Bildhauer Aristide Maillol aufmerksam geworden. Gertrud Osthaus hat darüber rückblickend berichtet: »Man war zum Zwecke von Gauguin-Erwerbungen bei Vollard, als die Figur durch den Laden getragen wurde. Der Anblick berührte das Ehepaar so, dass es dem Hersteller sofort nachspürte, und damit begann ein jahrelanger persönlicher Kontakt zu Maillol.« Die ›Jeune fille debout‹ wurde spätestens Anfang 1904 von Osthaus und seiner Frau über die Pariser Galerie Ambroise Vollard erworben. In einem am 19. Oktober 1904 erschienenen Zeitungsartikel informierte Karl Ernst Osthaus die Öffentlichkeit über die Neuerwerbung, die zunächst im Museum Folkwang, später dann in seinem Hagener Wohnhaus Hohenhof Aufstellung fand. Osthaus kaufte in der Folge weitere Werke des Bildhauers für seine Sammlung an. Wohl noch im gleichen Jahr erwarb er die Terrakottafigur ›Jeune fille agenouillée‹ und spätestens 1908 gelangte die Bronzeplastik ›Baigneuse sans bras‹ (um 1905) nach Hagen und im Jahr darauf einen früher Guss des ›Le coureur cycliste‹ (1907/08). Osthaus hatte Maillol 1905 zudem mit einer Steinskulptur für den Garten des Hohenhofs beauftragt, wo das Werk mit dem Titel ›Sérénité‹ 1908 aufgestellt wurde. Nach dem Tode Karl Ernst Osthaus’ 1921 wurde die Folkwang-Sammlung nach Essen verkauft. Aus der Gruppe der Werke Maillols gelangte damals allerdings nur ›Le coureur cycliste‹ in das neue Museum Folkwang. Die anderen Werke dieses Künstlers sowie mit einige wenige weitere Bildwerke hatte Gertrud Osthaus von dem Verkauf ausgenommen. Tatsächlich verblieb diese Figur bis zum Tod der Sammlerin 1975 in ihrem Besitz. Aus dem Kreis der Familie und ihres Umfeldes, in deren Eigentum die Figur sich danach befand, konnte sie schließlich im Jahr 2011 für das Museum Folkwang erworben werden.
Durch die schon im 18. Jahrhundert einsetzende Ruinenbegeisterung einerseits und die für das romantische Kunstwollen zentrale Verklärung des Mittelalters andererseits, war die Darstellung historischer Burgen und Wehrbauten in der Kunst des 19. Jahrhunderts ein geläufiges Thema. Von Interesse waren dabei weniger die Bauwerke an sich, als deren Eingebundensein in die sie umgebende Natur. Eine Darstellungskonvention, die sich bereits im 18. Jahrhundert herausbildete, präsentierte die Bauten von einem tiefer gelegenen Standpunkt aus, was sich besonders dann anbot, wenn Burgen – wie häufig – auf einer markanten landschaftlichen Erhebung errichtet waren. In diesem Modus schuf etwa Ludwig Richter einige Zeichnungen. Richter war im Spätsommer 1837 im Auftrag seines Verlegers Georg Wiegand nach Franken gereist, um dort Zeichnungen von kulturellen und landschaftlichen Sehenswürdigkeiten zu machen. Diese dienten dann als Vorlage für 30 Stahlstiche der ›Wanderungen durch Franken‹, die 1840 in der von Wiegand herausgegebenen Buchreihe ›Das malerische und romantische Deutschland‹ erschienen. Bei dem kleinformatigen Blatt ›Streitberg mit Burgruine‹ handelt es sich um eine dieser vor Ort entstandenen Zeichnungen, wobei der entsprechende Stich im Band von 1840 exakt der Zeichnung folgt. Während dieser Reise muss Richter auch die nahe gelegene Burg Rabeneck auf einer oder mehreren Zeichnungen festgehalten haben, da sie ebenfalls in dem Band erscheint. Sicher erst nach seiner Heimkehr nach Dresden schuf Richter jedoch die in seinem Schaffen ungewöhnlich großformatige Tuschfederzeichnung ›Mittelalterliche Burg in Waldlandschaft‹, die die hoch auf einem Felssporn gelegene Burg dramatisch in Untersicht präsentiert. Neben dieser Inszenierung einer Burg als Höhepunkt der sie umgebenden Landschaft konnte die Bildhierarchie aber auch umgekehrt werden, wie es bei einem Aquarell G. Haderers aus den 1830er Jahren zu beobachten ist, das im Vorder- und Mittelgrund ein Gewässer und eine üppige Baumgruppe zeigt, während die weit im Hintergrund gelegene Festung beinahe vollständig verdeckt ist. Ähnliches zeigt sich bei Rudolf von Alts Aquarell ›Blick auf ein Schloss in waldigem Tal‹ aus der Mitte der 1850er Jahre, mit dem er vor allem ein bewaldetes Tal in Szene setzt, das sich nahe dem im Hintergrund hervorlugenden, an der Moldau gelegenen Schloss Rosenberg erstreckt.
Ein Vater, der Maler Otto Dix, blickt auf sein Kind. Nelly freut sich über die vielen Blumen und die umherschwirrenden Bienen. Mit wachen Augen, ausgestreckten Armen und schwebendem Schritt entdeckt sie die Welt und ist dabei ganz bei sich. In die auf den ersten Blick idyllische Darstellung schleicht sich bei längerer Betrachtung ein leichtes Unbehagen ein. Die Pflanzen überragen Nelly und deuten damit an, dass Kind-Sein auch mit Erfahrungen von Überforderung, Verlassenheit und Angst verbunden ist. Die Werke von Künstlern und Fotografen, die Kinder und deren Lebenswelten zeigen, besitzen oft etwas Zwiespältiges, weil darin die Welt der Erwachsenen auf die vermeintlich unbeschwerte Kindheit trifft und sich in ihr abbildet: Kindliche Spiele und Wettkämpfe weisen voraus auf die Herausforderungen des Erwachsen-Seins oder stellen dem Betrachter auf eindringliche Weise vor Augen, wie fragil die menschliche Existenz in jedem Lebensalter ist.
Ende der 1970er Jahre widmeten sich private und öffentliche deutsche Institutionen zunehmend dem Sammeln und Ausstellen von Fotografie. Die ständig wachsenden Möglichkeiten unabhängig von konkreten Auftragsverpflichtungen auszustellen, zu veröffentlichen und zu verkaufen, wirkten sich seit den 1980er Jahren grundlegend auf die Arbeitsweise zahlreicher Künstler aus. Fotokonzeptkunst Anfang der 1980er Jahre bleibt das Erbe der Konzeptkunst spürbar. Künstler wie Hans-Peter Feldmann sahen in der Fotografie das geeignete Medium, um Autorschaft, Stil und Geniekult zu unterlaufen. So richtet sich Feldmanns Interesse vorrangig auf alltagskulturelle Bildformen wie Amateurfotografien, Postkarten, Zeitungsbilder und Plakate, die er zu umfangreichen Serien zusammenführt. Greift Hans-Peter Feldmann selbst zur Kamera, sorgt er sich wenig um fotografische Parameter wie Schärfe oder Tonwerte. Anders Ken Ohara : Die mehr als 500 anonymen Porträts des Fotobuchs ›One‹ von 1970 zeichnen sich durch strikte Reduktion des Bildausschnitts auf das Gesichtsfeld und durch eine gleichmäßige Belichtung aus. Individuelle Züge der auf den Straßen New Yorks Porträtierten gehen durch die vereinheitlichende Bildkonzeption nahezu verloren. Eine 50-teilige Serie hieraus wurde für die Fotografische Sammlung angekauft. Objektivität Abzug und Format werden spätestens Mitte der 1980er Jahre erneut Aufmerksamkeit geschenkt. Vergleicht man die kleinformatigen, dem Prinzip der Serie unterworfenen schwarz-weiß Fotografien von Bernd und Hilla Becher mit den großformatigen Farbfotografien, die später ihre Schüler realisieren werden, wird der Generationenwechsel unmittelbar sichtbar. Ihnen gemeinsam ist ein dokumentarisch-deskriptiver Ansatz, der konstanten Aufnahmebedingungen folgt. Deutlich wird diese Form der sachlichen Darstellung in den 40 kleinformatigen Porträts, die Thomas Ruff Anfang der 1980er Jahre im Umfeld der Kunstakademie Düsseldorf realisierte, oder in den Städtebildern von Thomas Struth und den Objektfotografien von Patrick Tosani. Subjektivität Beispiele einer Fotografie, die der abbildhaften Strenge zugunsten einer emotional bestimmten Wahrnehmung entsagen, findet man im Werk von Michael Schmidt. Ausgangspunkt seiner Arbeit ›Waffenruhe‹ ist der spürbare Konflikt der geteilten Stadt Berlin. Die ausschnitthaften schwarz-weiß-Fotografien des Künstlers, bezogen auf einen ihm vertrauten Ort, transferieren seinen subjektiven Bezug zur erfahrenen Wirklichkeit. Ähnlich stark geprägt von eigener Erfahrung ist die fotografische Auseinandersetzung Paul Grahams mit der Arbeitslosigkeit in Großbritannien. Seine Anwesenheit im Bild wird in den verkanteten Perspektiven und niedrigen Blickwinkeln sichtbar, die – in der Position der Wartenden – die soziale Realität vermitteln. Die in der Sammlung vertretenen Arbeiten von William Eggleston, Stephen Shore und Joel Sternfeld lassen auch den Einfluss auf die deutschen Fotografen wie Gosbert Adler und Joachim Brohm in der Sammlung nachvollziehbar werden. Dokumentarfotografie Dank der Wüstenrot Stiftung, die seit 1994 in Kooperation mit dem Museum Folkwang Stipendien für zeitgenössische Dokumentarfotografie vergibt, verfügt die Fotografische Sammlung über ein umfangreiches Konvolut zeitgenössischer Dokumentarfotografie, das Aufschluss gibt über aktuelle Formen der Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen. Dabei lassen sich Gemeinsamkeiten feststellen, vergleicht man zum Beispiel Tobias Zielonys Arbeitsweise mit der Paul Grahams. Beide reagieren auf die Frage, wie sich politische Themen ethisch angemessen darstellen lassen, mit Bildern, die sich von der klassischen Reportage unterscheiden, indem sie gängige Medienklischees vermeiden. Inszenierende Fotografie Parallel zur Inszenierung dokumentarischer Arbeitsweisen, wie etwa bei Rinke Dijkstra mit ihrer Serie über Wöchnerinnen und ihre Neugeborenen, entwickelten Künstler wie Cindy Sherman oder Thomas Demand einen reflexiven Umgang mit dem fotografischen Bild im Kontext der Massenmedien. Beide sprechen in ihren Bildern ein kollektives visuelles Gedächtnis an. Allerdings lassen sich Demands lebensgroße Rekonstruktionen aus Papier und Pappe auf vorgefundenes Bildmaterial zurückführen, während der Betrachter von Shermans ›Film Stills‹ zwar Standbilder aus ihm bekannten Filmen erkennen zu können glaubt, obwohl eine solche direkte Beziehung gar nicht existiert. Einen epochemachenden Einschnitt in die Produktion und Rezeption von Fotografie stellte Anfang der 1980er Jahre das Aufkommen digitaler Computertechnologien dar. Erneut wurde die Theorie der Fotografie als Analogon zum Mittelpunkt der Debatte über Fotografie. Wenngleich man sich bewusst war, dass die Herstellung von Fotografien von jeher mit zahlreichen, die Realität modifizierenden Eingriffen einher geht, äußerte man sich besonders im Journalismus besorgt über die neuen Möglichkeiten der politisch motivierten Manipulation fotografischer Bilder.
Engel und Sirenen, der Hirtengott Pan und Flora, die Göttin der Blüten – Mischwesen, die zwischen Himmel und Erde verkehren, sind seit jeher Inspiration für Künstlerinnen und Künstler. In den allegorischen Werken steigen sie herab zu den Menschen oder hinauf in den Himmel, nehmen als Boten des Göttlichen menschliche Gestalt an und lenken unter den Menschen deren Schicksal. Sie stehen für die Verbindung von Kosmos und Erde, Jugend und Fruchtbarkeit, Vergänglichkeit und Tod. Ihre Erd- und Naturverbundenheit war vor allem für symbolistische Künstler wie Arnold Böcklin Ausgangspunkt zahlreicher Bildfindungen. Aber auch bei den Expressionisten und bis in die Kunst der Gegenwart lassen sich diese Motive und ihre universelle Symbolik wiederfinden.
Ernst Barlach schrieb im Jahr 1910 unter dem Eindruck des Streits mit Rosa Schwab um das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn Nikolaus (*1904) das Drama ›Der tote Tag‹. Sein Thema ist der misslungene Versuch eines Sohnes, sich aus der Herrschaft der Mutter zu befreien. In mythischer Vorzeit lebt eine irdische Mutter allein mit ihrem Sohn, der einen Gott zum Vater hat und deshalb übernatürliche Fähigkeiten besitzt. So sieht der Sohn die Hausgeister ›Steißbart‹ und ›Besenbein‹, die für die Mutter unsichtbar bleiben. Um den Sohn von der Mutter zu befreien, schickt der Vater das fliegende Pferd ›Herzhorn‹, das jedoch von der Mutter erstochen wird. Der Sohn sucht es im Nebel, verirrt sich und wird von der Stimme der Mutter wieder heimgeführt. Doch er vermisst den Vater und ruft immer wieder nach ihm. Schließlich gesteht die Mutter, dass sie das Pferd getötet hat, und ersticht sich. Der Sohn folgt ihr in den Tod. Trotz der offenkundigen Nähe zur seiner damaligen Lebenssituation hat Barlach später Deutungen des Textes, die einen direkten Bezug zu seinem eigenen Leben herstellten, abgelehnt. Er wollte das Drama vielmehr verstanden wissen als »... so etwas wie eine Phantasie über unbefleckte Empfängnis, das heißt, geistige Abstammung im Gegensatz zur leiblichen.« Jedoch äußerte er sich gegenüber dem ihm befreundeten Friedrich Schult: »Die Mutter wollte den Knaben nicht hergeben. Auf diese Weise mußte ich früher oder später notwendig Gott für ihn werden. Das war der Anstoß. Unter den Händen wuchs die Idee von selber ins Mythische.« Zwei Jahre nach Vollendung des Textes erschien 1912 die Folge von 27 Lithografien als Einzelblätter mit Textband im Verlag von Paul Cassirer. In ihr finden sich sowohl Darstellungen, die in klarem Zusammenhang zu Szenen der literarischen Vorlage stehen, als auch solche, die Barlach zusätzlich hinzugefügt hat – so den dramatischen Moment, in dem die Mutter das Pferd ›Herzhorn‹ tötet (Blatt 13), ein Geschehen, von dem im Drama selbst nur indirekt die Rede ist. Die Selbsttötung des Sohnes wurde hingegen nicht illustriert – das letzte Blatt der Folge zeigt den Tod der Mutter. Die mit Kreide, Feder und Pinsel auf Zinkplatten gezeichneten Motive weisen eine bemerkenswerte formale Geschlossenheit auf und lassen in der kubischen Auffassung der Figuren den Bildhauer Barlach spüren.
Fotografien von bekannten Personen des öffentlichen Lebens, gefunden und gesammelt im Internet, stoßen in der raumgreifenden Foto-Text-Arbeit von Sven Johne auf erfundene, von ihm und Sebastian Orlac verfasste Lebensläufe unbekannter Aussteiger und Verlierer. In Anlehnung an das über 600 Fotografien umfassende Mappenwerk ›Menschen des 20. Jahrhunderts‹ von August Sander entwirft Sven Johne einhundert Jahre später ein aktualisiertes und polarisierendes Gesellschaftsporträt unserer Gegenwart. Die im Titel benannten »Anomalien« könnten als Abweichungen von sozialen Normen gelesen werden. Die Verschiebungen zwischen Fotografie und Text bilden möglicherweise aber auch Fallbeispiele für die entkoppelten Lebenswelten von vermeintlichen Verlierern in unserer Gesellschaft und denen, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen.
Glas ist der erste künstliche vom Menschen erschaffene Werkstoff. Erfunden wurde er im vorchristlichen 2. Jahrtausend im südöstlichen Mittelmeerraum, einer Region, in der seine Rohstoffe – Quarzsand, Kalk und Soda – natürlich vorkommen. Der Hauptbestandteil Quarz schmilzt bei etwa 1700°C. Diese Temperatur konnte in der Antike nicht ohne weiteres erreicht werden, doch durch die Zugabe von alkalischen Flussmitteln wie mineralischem Soda oder speziellen Pflanzenaschen wurde der Schmelzpunkt herabgesetzt, und unter Zugabe von stabilisierendem Kalk konnte Rohglas geschmolzen werden. Weitere Zusätze im Glasgemenge, beispielsweise Kupfer- oder Eisenverbindungen, färben das Glas oder verändern (etwa durch die Zugabe von Zinn) dessen Lichtdurchlässigkeit. Die ersten Gefäße wurden in der sogenannten Sandkerntechnik. Hierbei wurde auf einem Stab ein Sand- oder Tonkern befestigt, der mit flüssigem, meist dunkelblauem, undurchsichtigem Glas bedeckt wurde. Kontrastfarbene Fäden in weiß, türkis oder gelb konnten aufgelegt, zu Mustern gezogen und durch Rollen auf einer Unterlage »eingemärbelt« werden. Anschließend erfolgte das Versäubern des Randes und das Ansetzen der Henkel. Nach dem Erkalten wurde der weiche Kern aus dem Inneren entfernt, so dass ein Hohlraum zurück blieb.
Grieshaber behandelte seine Plakate, die zahlenmäßig gegen sein übriges Werk nicht sonderlich ins Gewicht fallen, trotzdem nicht als Nebenprodukt. Nicht nur die neue Konstellation der Druckstöcke in z.T. neuen Farbvarianten erzeugte eine gewisse Eigenständigkeit, auch kam es vor, dass er Druckstöcke speziell zur Plakatherstellung schnitt. Dies konnten sowohl Größenanpassungen oder gespiegelte Motive, als auch eigens für die Plakatherstellung angefertigte Motive (Druckstöcke) sein. Damit spielt das Plakat mehr als eine begleitende Rolle, es wird selbst zum Ausdruck einer eigenständigen künstlerischen Auseinandersetzung. Ausstellungsplakate Selten sind Grenzen zwischen freier und angewandter Kunst so unklar erkennbar, Übergänge von freier Grafik zum Plakat verschwommener als im Werk von HAP Grieshaber. Vor allem Plakate für seine eigenen Ausstellungen wurden unter den gleichen Bedingungen hergestellt, wie die grafischen Arbeiten. Der Farbholzschnitt war bevorzugte Drucktechnik. Die für den Druck der Grafik hergestellten Druckstöcke wurden ebenfalls für die Herstellung der Plakate genutzt. Dabei konnten bis dahin nicht vorhandene Konstellationen entstehen, da Druckstöcke verschiedener Grafiken für ein Plakat neu zusammengestellt wurden. Neben den Plakaten zu seinen eigenen Ausstellungen sind ebenfalls zahlreiche Plakate für andere Auftraggeber entstanden. Diese Auftragsplakate kann man in zwei Gruppen teilen: In die Gruppe der Plakate, die Grieshaber im Farbholzschnitt herstellte, und in die durch andere Druckverfahren – z.B. im Offsetdruck – wiedergegebenen Motive. Industrielle Druckverfahren wie etwa der Offsetdruck entziehen sich natürlich der individuellen Einflussnahme, im Sinne einer händischen Herstellung beim Auflagendruck. Demzufolge müssen sie in der Betrachtungsweise auch einen anderen Stellenwert einnehmen. Politische Plakate Bereits aus dem Jahre 1950 stammt das erste politische Plakat von HAP Grieshaber. ›Die Wahrheit siegt‹ kündigt einen Vortrag über den sich abzeichnenden Koreakrieg (1950-1953) an, weitere Plakate schließen sich an. 1967/1968 folgen u.a. Plakate gegen die griechische Militärdiktatur, wobei seine Motive auch von gleichgesinnten Gruppen verwendet werden konnten. Auf diese Weise verbanden sich Grieshaber-Motive mit bestimmten politischen Haltungen und waren als visuelle Ideenträger weit verbreitet. Die politischen Plakate von Grieshaber sind von starker Solidarität mit den Unterdrückten und der Sehnsucht nach Freiheit und Demokratie getragen. Die erlebte Unterdrückung in den Jahren der NS-Diktatur (1933-1945) ließ ihn aus eigenem Erleben handeln. Als letztes politisches Plakat von seiner Hand erscheint zum Bundestagswahlkampf 1980 das Plakat ›Demokraten wählen‹. Plakate für Musik und Bühne Grieshaber variiert seine eigene Bildsprache, um sie der jeweiligen Aufgabe anzupassen und so entstanden einprägsame Arbeiten. Er übersetzt das Thema Bühnenbild in eine virtuelle räumliche Tiefe, deutet Raum an und entfernt sich von der sonst rein flächigen Gestaltung seiner Holzschnitte. Für das Württembergische Staatstheater entstehen in der Saison 1972/73 drei Plakate. Grieshaber erreicht durch wenige übereinstimmende Merkmale in den Arbeiten, dass man diese als Serie wahrnimmt. Die Art der Datumsnennung sowie die Platzierung der Texte von Auftraggeber und Stück bilden den Rahmen. Grieshaber begnügt sich jeweils mit einem Zentralmotiv, dessen Behandlung sehr zurückhaltend erfolgt ist: Die äußere Form ist klar, die innere Struktur verhalten kompliziert, so dass auch hier der speziellen Aufgabe des Plakats Rechnung getragen wurde.
I. Expressive Plakate Der Expressionismus war in der Malerei schon vor dem Ersten Weltkrieg ausgeprägt, expressive Plakate gab es bis 1914 aber nur recht wenige. Erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs fand dieser Stil seinen Weg in die Massenmedien, vornehmlich in das Plakat und den Film. Hier dominierte er die Jahre bis ca. 1921/22, um dann wenige Jahre später völlig zu verschwinden. Zunächst waren es die politischen Plakate, die erstmals nach Ende des Kaiserreichs erscheinen konnten und die diesen expressiven Stil nutzten. Dies galt besonders für Plakate zur Wahl der Nationalversammlung (1919). Es entstanden die bis zu diesem Zeitpunkt brutalsten Bilder, die jemals im öffentlichen Raum gezeigt wurden. Plakate für kulturelle Veranstaltungen (Filmvorführungen, Aufführungen des Ausdruckstanzes, Ausstellungen etc.) waren ebenfalls in dieser hoch emotionalen Formensprache gestaltet. Hier sei besonders auf die Filmplakate von Josef Fenneker (1895–1956) hingewiesen. Kaum einen Weg fand das expressive Plakat jedoch in die Produktwerbung. II. Dekorative Plakate Genau genommen sind dekorative Plakate keine Besonderheit der 1920er Jahre – es gab sie natürlich schon im Jugendstil. Die Besonderheit liegt in der eigenständigen Ausprägung von Dekorativität. Zum einen wurde der Jugendstil überwunden, zum anderen war man (noch) nicht im Art déco angekommen. Als Beispiel sei auf die Arbeiten von Walter Schnackenberg (1880–1961) verwiesen. Gerade in diesem Bereich gab es international eine starke Entwicklung, z.B. in Frankreich, wo eine Art dekorativer Sachlichkeit vorangetrieben wurde, die sich auch auf die Gestaltung in Deutschland und dort teilweise auch auf das sachliche Plakat auswirkte. Durch den wachsenden Bereich der Filmplakate zog sich mehrheitlich eine malerisch-dekorative Linie. III. Sachliche Plakate Versammelt sind hier Arbeiten, die der Neuen Typografie, der Neuen Sachlichkeit bzw. dem Bauhaus und weiteren Strömungen angehören, die aus ähnlichen Haltungen heraus gearbeitet haben. Auffällig ist die Nutzung der Fotografie in ihren verschiedenen Varianten bis hin zur Fotomontage. Aus diesem Bereich stammen eine Reihe von langfristig stilprägenden Arbeiten, mit Auswirkungen bis heute. Die nüchterne (sachliche) Betrachtung von Form und Funktion traf ganz die Anforderungen an gute Gestaltung im Rahmen von industrieller Massenproduktion und, sich daraus ergebend, veränderten Lebensumständen und Lebensrhythmen. Neue Ausdrucksmöglichkeiten mittels Fotografie und Typografie bestimmten den Wandlungsprozess und veränderten die Gestaltung des Plakats nachhaltig. Mit den Filmplakaten von Jan Tschichold (1902–1974) konnte – wenn auch zunächst folgenlos – gezeigt werden, welches Potenzial in der konkreten Anwendung eines neuen Formgefühls steckt.
Im Jahr 1902 gründet Karl Ernst Osthaus (1874–1921) das Folkwang Museum in Hagen. Schnell richtet sich seine Sammelleidenschaft auf die zeitgenössische, damals teilweise noch nicht etablierte Kunst. So erwirbt er die ersten Gemälde Vincent van Goghs für ein deutsches Museum. Aus der ersten Einzelausstellung des Künstlers in Deutschland kauft Osthaus das Gemälde ›La moisson‹ an und zeigt es zur Eröffnung des Museum Folkwang in Hagen. Insbesondere die französische Kunst seiner Gegenwart hat es Osthaus angetan. Zu den frühen Erwerbungen zählen Werke von Gauguin, Cézanne, Signac und Matisse. Mit vielen Künstlerinnen und Künstlern, darunter Emil Nolde oder Pierre Auguste Renoir, verbindet ihn und seine Frau Gertrud eine jahrzehntelange Freundschaft. Osthaus ist nicht nur Sammler, sondern auch Mäzen und fördert zeitlebens viele Künstler in seinem Umfeld, so auch Christian Rohlfs, der 1902 im ersten Stock des Museums eine Wohnung und das Atelier bezieht und dort bis zu seinem Tod 1938 lebt und arbeitet.
Im Verlauf des 20. Jahrhunderts lösen Künstler:innen das Verständnis des Gemäldes als ein Fenster zur Welt radikal auf. Den auf Augenhöhe gerichteten Blick ersetzen sie durch Perspektiven unterhalb des Horizonts. Jackson Pollock legt seine Leinwand auf den Fußboden. Schmutz, Sand und formlose organische Abstraktionen halten Einzug in die Bildwelten vieler Künstler:innen, die damit nicht zuletzt auch auf die verheerenden Weltkriege des 20. Jahrhunderts reagieren: Am Boden liegt die Erde und der Mensch gewissermaßen ebenso. Das Randständige, Unterdrückte, Unförmige und Undefinierbare rückt ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Werke in diesem Raum greifen unsere Verbindungen zur Erde als Material auf und spielen zugleich mit ihren metaphorischen Bedeutungen.
Immer wieder bilden Naturphänomene den Ausgangspunkt für die malerische Erkundung ihrer überwältigenden Erscheinungsformen und die Frage nach der Darstellbarkeit von Natur mit den Mitteln der Malerei. Bei seinen Aufenthalten in Étretat an der französischen Atlantikküste malt Gustave Courbet die sich mächtig aufbäumenden und mit schaumiger Gischt anbrandenden Wogen in vielfältigen Variationen. Während bei Courbet das Naturmotiv zu einem eingängigen Sinnbild für seine Bemühungen um eine neue, realistische Naturschilderung wird, dringt Zao Wou-Ki in seinen fast gänzlich abstrakten Bildern in das Innere der Natur ein und sucht sie in ihrem Kern malerisch zu erfassen. In Gerhard Richters ›Wolken‹ hingegen dient ein unscharf gemalter Ausschnitt aus einer Fotografie als Folie für die Frage nach dem Abbild und dem Wesen der Malerei als zweiter Natur. Morris Louis‘ monumentales Schüttbild erinnert nur noch entfernt an Naturphänomene und findet über die Abstraktion zurück zur assoziativen Verbindung mit der Darstellung von Naturgewalten in den Werken seiner Gegenüber.
In Chamissos Erzählung von 1813 verkauft die Hauptfigur Peter Schlemihl seinen eigenen Schatten an den Teufel. Als er gewahr wird, dass er sich damit aus der Gesellschaft ausschließt, da die Menschen ihn aufgrund dieser Absonderlichkeit meiden, versucht Schlemihl vergebens, den Handel rückgängig zu machen. Kirchner erkannte sich selbst in der Titelfigur wieder. Ebenso wie Schlemihl durch den Verkauf des Schattens sah Kirchner sich durch seine freiwillige Meldung zum Kriegsdienst aus eigenem Verschulden von seinen Mitmenschen isoliert. Dies verdeutlicht ein Brief, den Kirchner am 28. Juli 1919 an seinen Förderer Gustav Schiefler richtete. In diesem Brief beschrieb Kirchner den fünften Holzschnitt der Folge mit den Worten: »Blatt 5 zeigt die Scene, in der er [Schlemihl] mit dem grauen Männlein auf der Landstraße von diesem für die Zeit ihres Zusammenseins den Schatten geliehen bekommt und damit in ein Seitental entfliehen will. Der Schatten rutscht in diesem Moment von selbst in die Tasche des Männleins zurück. Die militärische Uniform stammt daher, dass ich mich während dieser Zeit in einem ähnlichen psychischen Zustand befunden habe. Der Verkauf an das graue Männlein war das Freiwilligentum, da ich daran selbst schuld war.« Mit der Schlemihl-Folge erreicht Kirchner Beschäftigung mit dem Farbholzschnitt einen ersten Höhepunkt. Für den Druck verwandte Kirchner in der Regel zwei Stöcke – einen Zeichnungsstock für die schwarzen Partien und einen Farbstock für die farbigen. Der Farbstock wurde dabei von Kirchner, der den Druck selbst durchführte, monotypieartig eingefärbt. Gelegentlich – so bei Blatt 1 – wurden die Drucke auch nachträglich von Hand koloriert. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die erhaltenen Exemplare der in sehr kleinen Auflagen gedruckten Farbholzschnitte teilweise sehr stark differieren. Von der Schlemihl-Serie lassen sich in öffentlichem Besitz nur fünf vollständige Exemplare nachweisen. Das Museum Folkwang verfügte bis 1937 über ein Exemplar der Serie aus dem Besitz von Karl Ernst Osthaus, das dieser von Künstler selbst erhalten hatte. Diese Folge wurde 1937 als »entartet« beschlagnahmt und im Anschluss verkauft. Als Ersatz erwarb das Museum 1957 ein anderes vollständiges Exemplar der Schlemihl-Folge. Das Titelblatt der ehemals dem Museum Folkwang gehörigen Folge mit einer Widmung Kirchners als Osthaus gehört heute zu einer Privatsammlung, die übrigen Blätter dieser Folge lassen sich nicht mehr sicher identifizieren.
In dem 2008 realisierten Werk führt Simon Starling – einer der wichtigsten zeitgenössischen Künstler seiner Generation (Turner-Preisträger 2005) – verschiedene historische Ereignisse zusammen und verbindet sie durch von ihm in Szene gesetzte räumliche und visuelle Bezüge zu einer beziehungsreichen Erzählung. Geschichte und Gegenwart, Dokument und Erfindung werden in unterschiedlichen Medien – Architektur, Skulptur, Fotografie, Film – miteinander verknüpft und durchdringen sich gegenseitig. Auf eine für den Künstler charakteristische Weise kombiniert die Installation ein Architekturprojekt des deutschen Architekten Eckhart Muthesius von 1929 (die indische Residenz Manik Bagh), die Hochzeit eines Maharadschas und das von Fritz Lang und Theo von Harbou 1921 verfasste, wiederholt verfilmte Drehbuch ›Das indische Grabmal‹ mit der von Starling in dem Turiner Galeriegebäude ›La Fetta di Polenta‹ als Ausstellung präsentierten Recherche zu dieser Installation. Bei dem Architekturfragment der Essener Installation handelt es sich um den detailgetreuen Nachbau des fünften von insgesamt sieben Stockwerken des Turiner Gebäudes. Dort waren 32 s/w-Fotografien und drei Steine identischer Form ausgestellt. Die von Starling aufgenommenen Fotografien zeigen Außen- und Innenansichten des heutigen Palastes. Die mittels eines Lasers identisch geschnittenen Steine bestehen aus schwarzem belgischen Marmor, weißem Carrara-Marmor und indischem Marmor; Materialien, die für die Ausstattung des Palastes und eine von dem Maharadscha bei Constantin Brancusi in Auftrag gegebene, unvollendet gebliebene Skulpturengruppe gedacht waren. Starling führt vor, dass der Transfer von Kultur immer auch als ein Wahrnehmungsprozess verstanden werden muss, zu dem auf beiden Seiten – hier: Deutschland und Indien – Stereotypen und Missverständnisse ebenso gehören wie Zuschreibungen und Phantasmen mit politischen Implikationen. Das Werk eröffnet damit zugleich einen neuen Blick auf das bereits von dem Museumsgründer K. E. Osthaus initiierte Nebeneinander von europäischer Avantgarde und außereuropäischer Kunst. Der von Starling sichtbar gemachte Zusammenhang zwischen verschiedenen kulturellen Berührungspunkten der beiden Länder (Deutschland und Indien) macht die frühe Sammlungsgeschichte des Museum Folkwang als Ausdruck einer bestimmten historischen und kulturellen Konstellation kenntlich.
In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts erwirbt Karl Ernst Osthaus zahlreiche Werke für die Sammlung seines 1902 in Hagen gegründeten Museum Folkwang (heute Osthaus Museum). Ausgehend von Sammlungen zur Naturgeschichte und akademischen Kunst, wendet sich Osthaus unter dem Einfluss des Architekten Henry van de Velde den künstlerischen Avantgarden seiner Zeit zu. So erwirbt er ab 1902 erste Werke von Paul Gauguin und Vincent van Gogh. Der Brunnen ›La fontaine aux agenouillés‹ des flämischen Bildhauers George Minne wird 1900 in einer ersten Fassung in der Wiener Secession ausgestellt. Als »frischer Quell, dessen Wellen das ganze Leben reinigend und erfrischend überströmen«, ist der Brunnen für Osthaus ein Sinnbild seiner Vision für das Museum Folkwang. Minne fertigt daraufhin um 1905 eine weitere Version des Brunnens in Marmor für die Eingangshalle des Hagener Museums. Heute steht dort eine Kopie. Das Original kam 1922, durch Osthaus‘ frühen Tod und den darauffolgenden Verkauf der Folkwang-Sammlung, nach Essen.
In der 1897 entstandenen ›Ballade vom Zuchthaus zu Reading‹ verarbeitet Oscar Wilde seine Erfahrungen während einer zweijährigen Haftstrafe im Zuchthaus von Reading machte. Wilde war 1895 aufgrund seiner Homosexualität angeklagt und verurteilt worden. Fern von Selbstmitleid, steht in der Ballade die Hinrichtung eines in Reading einsitzenden Mörders im Mittelpunkt, wobei Wilde das Augenmerk besonders auf die Gemütsverfassung des Delinquenten und der übrigen Insassen des Zuchthauses im Vorfeld der Urteilsvollstreckung richtet. Wilde, der während der Zeit in Reading hautnah erfuhr, was Menschen einander antun können, verließ das Zuchthaus 1897 als kranker, gebrochener Mann und starb drei Jahre später. 1907 erschien im Insel-Verlag in Leipzig die erste deutsche Übersetzung der Ballade. Im gleichen Jahr schuf Erich Heckel die Holzschnittfolge, mit der er die Textvorlage in kongenialer Weise illustriert. Ebenso wie bei Wilde, der vor allem Stimmungen beschreibt, stehen auch hier keine szenischen Motive im Vordergrund – die Hinrichtung selbst beispielsweise wird weder von Wilde beschrieben noch von Heckel dargestellt. Statt dessen konzentriert sich Heckel auf einzelne Figuren, die auch in der Ballade immer wieder erscheinen – den Richter oder den Wärter und natürlich den Gefangenen. Daneben findet der damals 24jährige Künstler starke Bilder, um die psychische Verfassung der Insassen und des Verurteilten wiederzugeben – besonders in den Blättern ›Angst‹ oder ›Das Grauen‹, in dem eine zusammengekrümmte, liegende Figur von einem nicht näher zu benennenden Alptraumwesen bedroht wird. Trotz einer gewissen Heterogenität in der stilistischen Auffassung bildet diese Serie einen frühen Höhepunkt im umfangreichen druckgrafischen Schaffen Erich Heckels, das in der Grafischen Sammlung im Museum Folkwang fast vollständig vorhanden ist.
Inkunabeln Otto Steinert, seit 1959 Lehrer für Fotografie an der Folkwang-Schule, hatte anlässlich seiner Berufung mit der Stadt Essen die Vereinbarung getroffen, eine Studiensammlung für den Unterricht aufzubauen. Diese Sammlung wurde 1979 als Fotografische Sammlung unter Leitung von Ute Eskildsen Teil des Museum Folkwang. Schon 1961 bot sich eine einzigartige Möglichkeit, die gerade erst begonnene Sammlung mit einem Schlag um zahlreiche Inkunabeln der Fotografie zu bereichern. Damals fand in Genf eine der ersten großen Versteigerungen von ›Photographica‹ statt, und Steinert ersteigerte mit Unterstützung der Stadt Essen insgesamt 369 Werke. Zu diesem Konvolut gehörten beispielsweise 144 Porträts von David Octavius Hill und Robert Adamson aus den frühen 1840er Jahren, großformatige Architekturfotografien der frühen 1850er Jahre von Edouard Denis Baldus (45 Bilder) und Henri Le Secq (25 Bilder) sowie 26 Architekturaufnahmen von den Gebrüdern Louis-Auguste und Auguste-Rosalie Bisson vom Ende der 1850er Jahre. Herausragend sind auch die beiden Fotografien von Jean-Baptiste Gustave Le Gray, ›Marine, Grande Vague, Sète‹ (1856), und Julia Margaret Cameron ›Sir John Frederick William Herschel, Baronet, Collingswood‹ (7. April 1867). Kurz darauf konnte Otto Steinert zudem fünf Werke von William Fox Talbot, einem der Erfinder der Fotografie, für die Sammlung erwerben. William Henry Fox Talbot – Zeichnen mit Licht Im Gegensatz zu der anfänglich sehr populären Daguerreotypie, einem Unikatverfahren auf Metall mit eindrucksvollem Detailreichtum, erlaubte Talbots 1841 zum Patent angemeldetes Verfahren auf Papier das Herstellen eines Negatives von dem eine Vielzahl an Positiven entstehen konnte. Die ersten Bilder auf lichtempfindlichem Material entstanden bereits Anfang der 1820er Jahre. Das Licht schwärzte das empfindliche Material und ›zeichnete‹ so während einer Stunde ein negatives Abbild. Es war ohne weiteren Prozess sofort sichtbar, jedoch konnte die Fotografie immer nur für kurze Zeit bei Licht betrachtet werden, da sie sich sonst weiter schwärzte. Mit der Entdeckung des latenten Bildes reduzierten sich die Belichtungszeiten auf wenige Sekunden. Das Bild, zunächst unsichtbar, erschien anschließend ohne weiteres Zutun vor dem staunenden Blick des Betrachters. Doch erst mit der Entdeckung eines chemischen Verfahrens, die Bilder zu fixieren, war die Erfindung der Fotografie abgeschlossen. Die Bilder konnten dauerhaft bei Licht betrachtet werden, ohne dass sie sich dadurch veränderten. Talbot begann mit einfachen Versuchen, die er ›photogenic drawings‹, durch Licht erzeugte Zeichnungen nannte. Dabei belichtete er lichtdurchlässige Objekte direkt auf dem Papier. Sobald es dank kürzerer Belichtungszeiten möglich wurde, fotografierte er seine Umgebung, die Familie und seinen Freundeskreis. Fünf solcher Abzüge befinden sich in der Fotografischen Sammlung. Während der französische Staat Daguerres Erfindung dem Volk zur freien Verwendung übergab, fand die Talbotypie, später Kalotypie genannt, obwohl zukunftsträchtiger, in England kaum Beachtung. Verbittert meldete Talbot sein Verfahren zum Patent an und verfolgte jeden, der es widerrechtlich anwendete. Dieses Verhalten und die anfängliche Defizite des Papiernegatives hinsichtlich der Bildschärfe bremsten die Verbreitung seines Verfahrens. David Octavius Hill / Robert Adamson – Die Kalotypie Die Verbesserung der Bildschärfe in der Kalotypie führte Mitte des 19. Jahrhunderts in England und Frankreich zu einer ersten Blütezeit dieses Verfahrens. Ein eindrucksvolles Beispiel ist die knapp fünf Jahre dauernde Zusammenarbeit zwischen dem Maler David Octavius Hill und dem Fotografen Robert Adamson. Es entstand ein Porträtwerk von außergewöhnlicher Qualität. Adamson besaß die handwerklichen Fähigkeiten im Umgang mit der fotografischen Technik und Hill über-nahm die kompositorische Arbeit. Für das Historiengemälde ›The Signing of the Deed of Demission, 1843‹ (1844–66), der Gründungsversammlung der Schottischen Freikirche griff Hill statt zum Skizzenblock zur Kamera und porträtierte zusammen mit dem Fotografen Robert Adamson jeder der 470 im Gemälde darzustellenden Personen. In einem ›Freilichtatelier‹ und mit Belichtungszeiten von wenigen Sekunden aufgenommen, zählen die Porträts zu den überragenden Meisterleistungen aus der Frühzeit der Fotografie. Das Gemälde hingegen blieb ein Kuriosum der Kunstgeschichte. Otto Steinert konnte 144 dieser Kalotypien ersteigern. Von Baldus zu Atget – Dokumentation als Mission Die französische ›Commission des Monuments historiques‹, die erste staatliche Behörde für Denkmalpflege, erkannte die Vorteile des neuen Hilfsmittels Fotografie für eine präzise Beschreibung römischer und mittelalterlicher Bauten, die durch Verfall und Vandalismus immer mehr zerstört wurden. Sie beauftragte 1851 fünf Fotografen, den Zustand der wichtigsten Monumente in ganz Frankreich zu dokumentieren. Die Zusammenarbeit zwischen der Kommission, den Architekten und den Fotografen war ein Erfolg. Einige Fotografen spezialisierten sich auf Architektur, um mit verbesserter Technik, wie Glasnegativ und Großformat, die Fotografien an Architekten, Maler, Sammler und Bibliotheken zu verkaufen. Hier sind vor allem Edouard Denis Baldus und Henri Le Secq zu nennen. Baldus ist mit 45 und Le Secq mit 25 Fotografien in unserer Sammlung vertreten. Baldus schuf wirkungsvoll ins Licht gesetzte, Aufnahmen von vielgliedrigen Fassaden und Bilder von in ihrer Umgebung eingebetteten Monumenten; Henri Le Secq konzentrierte sich auf die Bauplastik und Architekturdenkmäler, deren steinerne Figuren er gleichsam als Menschen aus Fleisch und Blut zu porträtieren suchte. Das Projekt wurde später ›La Mission héliographique‹ genannt. Die lange verschollen geglaubten Bilder konnten erst 1980 identifiziert werden. Erste Überlegungen dazu publizierte André Jammes 1966 in einem Katalog des Museum Folkwang über „Die Kalotypie in Frankreich“. Unabhängig von den Aufträgen der Kommission fanden andere Fotografen zum Genre Architektur. Die Gebrüder Louis-Auguste und Auguste-Rosalie Bisson dokumentierten die Restaurierung der Notre Dame in Paris. Der Architekt Viollet le Duc publizierte 1860 seine umstrittene Restaurierung mit Plänen, Zeichnungen und zwölf dieser Fotografien. Von beiden Fotografen befinden sich 34 Fotografien in der Sammlung. Die Anlage breiter Boulevards im Auftrag des Präfekten Georges-Eugène Baron Haussmann in den 1860er veränderte das Pariser Stadtbild. Die Kommission beauftragte Jean-Eugène Durand und Séraphin Médéric Mieusement, die zum Abriss bestimmten Stadtpalais vor ihrer Zerstörung zu dokumentieren. Von den beiden Fotografen sind 9 und 26 Aufnahmen in der Sammlung. Der Maler und Vorlagenfotograf Eugène Atget führte diese Tradition ab 1897 und bis in die 1920er Jahre fort. Er hielt die durch weitere Modernisierungsmaßnahmen im Verschwinden begriffenen alten Stadteile fotografisch fest. Das Museum Folkwang besitzt fünf seiner Fotografien.
Innerhalb der Zeichnungen und Aquarelle des 19. Jahrhunderts, die zur Grafischen Sammlung des Museum Folkwang gehören, bilden Blätter, die in Italien entstanden sind, eine eigene, umfangreiche Gruppe. Es handelt sich indes nicht um Arbeiten italienischer Künstler, sondern ausnahmslos um Werke von Deutschen, Österreichern und Schweizern, die sich im Zuge der Italiensehnsucht jener Zeit zumindest für einige Jahre dort aufhielten, wie etwa Joseph Rebell, Friedrich Preller d. Ä. oder Johann Heinrich Schilbach. Andere ließen sich für immer in Italien (und dann zumeist in Rom) nieder, wie Joseph Anton Koch, Johann Christian Reinhart, Salomon Corrodi, Heinrich Dreber oder Johann Martin von Rohden. Ebenso wie bei den damals entstandenen Landschaftsgemälden lässt sich bei den Arbeiten auf Papier das Bestreben feststellen, die Faszination des südlichen Lichts im Werk zu bannen. Bemerkenswert ist jedoch, dass sich dieses Bestreben nicht allein in solchen Aquarellen manifestiert, die eine Landschaft in einer bestimmten Lichtsituation präsentieren, wie beispielsweise Salomon Corrodis panoramatischer ›Blick auf Rom vom Monte Mario aus‹, der in besonders gelungener Weise vom sanften Licht einer tiefstehenden Sonne geprägt ist. Gleichzeitig entstanden auch lavierte Blätter, wie Joseph Rebells ›Blick auf Frascati‹, Johann Martin von Rohdens ›Blick auf Tivoli‹ oder Johann Heinrich Schilbachs Schilderung einer Landschaftspartie ›Zwischen Albano und Ariccia‹, die in ihrer fein ausdifferenzierten Tonalität den Eindruck lichtdurchfluteter und vom Gegensatz zwischen hell beschienenen und vielfältig verschatteten Bereichen geprägter Landschaften vermitteln. Auch in der kompositorischen Organisation der Blätter lassen sich zwei Gruppen unterscheiden. Einerseits entstanden Arbeiten, die minutiös einen bestimmten Landschaftsausschnitt wiedergeben, etwa Joseph Rebells ›Blick auf den Golf von Salerno‹ oder Leo von Klenzes ›Tor des Königs Kokolos‹. Daneben finden sich aber auch Landschaftsdarstellungen, auf denen nur ein bestimmtes Motiv präzise ausgeführt ist, die übrigen Bereiche hingegen entweder nur angedeutet, oder überhaupt nicht wiedergegeben werden. Dies gilt beispielsweise für Rebells ›Blick auf Frascati‹, wo im Gegensatz zur tatsächlichen Wahrnehmung die am weitesten entfernten Bildelemente – die Villen Mondragone und Falconieri – detailliert festgehalten werden, während der nahegelegene Vordergrund beinahe völlig ausgespart bleibt und nur durch wenige Bleistiftstriche angedeutet ist. Es mag darin die Forderung des Landschaftsmalers und Kunsttheoretikers Pierre-Henri de Valenciennes zum Tragen kommen, der 1803 in seiner ›Praktischen Anleitung zur Linear- und Luftperspectiv für Zeichner und Mahler‹ verlangte, dass die Künstler möglichst rasch die sich schnell wandelnde Stimmung einer bestimmten Tageszeit – und nur diese – festhalten, »denn alle aufeinander folgenden Momente des Tages und ihre stufenweisen Effecte in einen einzigen Augenblick vereinigen zu wollen, ist die größte Sünde wider die Wahrheit und der vollständigste Beweis eines gänzlichen Mangels an Ueberlegung.« Berücksichtigt ein Künstler die von Valenciennes aufgestellte Forderung, nicht länger als zwei Stunden an einem Blatt zu arbeiten, dann können folglich einige Bereiche nur angedeutet werden. Zugleich rückt aber bei solchen scheinbar unvollendeten Arbeiten der Schaffensprozess selbst in das Zentrum der Aufmerksamkeit
Internationale Avantgarde Die fotografische Praxis der 1920er und 1930er Jahre ist ein Schwerpunkt der Fotografischen Sammlung im Museum Folkwang. Nach dem Ersten Weltkrieg – einer Zeit einschneidender politischer und gesellschaftlicher Veränderungen – entwickelte sich eine kulturelle Produktion, in der die Gattungsgrenzen erweitert wurden, wobei den fotografischen und technischen Bildmitteln ein neuer Stellenwert zuerkannt wurde. Die Verfechter der neuen Fotografie setzten sich bewusst von den romantisierenden Genredarstellungen der Kunstfotografen der Jahrhundertwende ab. Die Wahrnehmung der modernen Großstadt, die industrielle Fertigung, deren Maschinenwelt und Technik wurden thematisiert. Technik und Tempo, die neuen populären Themen, begeisterten die Unterhaltungsindustrie, die Kunst und das Pressewesen. Experimentelle Fotografie Radikale Perspektiven, Isolierung des Objektes durch Nahsicht, ungewöhnliche Aus- und Anschnitte, Spiel mit Licht und Schatten, häufiger Einsatz von Diagonalen, Schwarzweiß-Kontrasten und Spiegelungen gehörten zu den wichtigsten Gestaltungselementen der fotografischen Praxis: der Reporter, Künstler, Fotografen und Autodidakten. Die im folgenden Text hervorgehobenen Werke stehen beispielhaft für diesen zeitlich definierten Schwerpunkt der Fotografischen Sammlung des Museum Folkwang. Anne Biermanns ungewöhnliche Blicke auf und in den Eiffelturm in Paris sind ein Beispiel für die Entdeckung der Welt aus bisher nicht wahrgenommenen Perspektiven. Oder die Experimente der Französin Florence Henri, die mit Spiegeln und Glasscheiben besondere Räume für ihre Stillleben schuf. Germaine Krull, fasziniert von architektonischen Eisenkonstruktionen, veröffentlichte 1927 in Paris das Buch ›Métal‹. In Tschechien war Jaromir Funke einer der Mentoren des Neuen Sehens. Der Ungar László Moholy-Nagy und der Österreicher Herbert Bayer waren beide als Lehrer am Bauhaus tätig, der damals in Deutschland progressivsten Hochschule für Kunst und Gestaltung. Viele der neuen Ideen und Ansätze kamen aus den Reihen der Bauhauslehrer und ihrer Schüler. Collagen, Montagen, Mehrfachbelichtungen und Fotogramme wurden dort von Studenten erprobt. Einer der einflussreichsten Experimentatoren war Moholy-Nagy sowohl als Monteur mit gefundenem Bildmaterial als auch im Labor. Mit der kameralosen Fotografie entwickelten er und Man Ray besondere Bildformen. Bereits 1922 gab der Amerikaner Man Ray eine Mappe mit 12 Fotogrammen unter dem Titel ›Champs Délicieux‹ heraus, die er als Rayogramme oder Rayographien bezeichnete. Neue Sachlichkeit Gleichzeitig zu den experimentellen Erkundungen entwickelt Albert Renger-Patzsch eine objektivierende fotografische Bildform. Die Spannbreite seiner Motive war groß. Neben Natur- und Landschaftsaufnahmen finden sich Bilder von Alltagsgegenständen, Porträts, Architekturfotografie und Themen aus den Bereichen Industrie und Technik. Mit dem Bildband ›Die Welt ist schön‹, 1928 im Kurt Wolff Verlag in München erschienen, gelang Albert Renger-Patzsch der internationale Durchbruch. Ebenfalls im Stil der Sachlichkeit schuf August Sander ein Sozialporträt der Weimarer Republik. Unter dem Titel ›Menschen des 20. Jahrhunderts‹ fotografierte er Vertreter der verschiedenen Gesellschaftsschichten, die er nach ihrer Berufszugehörigkeit, ihrem sozialen Status oder ihrer gesellschaftlichen Rolle auswählte. Ohne zu werten, aber mit dem Blick auf den Kontext richtete er seinen Blick auf die Menschen, denen er in ihrer Lebens- und Arbeitsumgebung Raum zur Selbstdarstellung lässt. Auch für Helmar Lerski, der sich gegen die menschliche Porträtfotografie wendet, ist der Abbildungscharakter der Fotografie entscheidend. Aber nicht die Repräsentation der Person gilt seinem Interesse, sondern seine durch Licht und Ausschnitte erreichbare Rolleninszenierung des Gegenübers. In dem 1937 in Tel Aviv entstandenen Projekt ›Verwandlungen durch Licht‹ (Metamorphose) entwirft er 175 Bildnisse einer Person. Der Nachlass des Fotografen ist im Besitz des Museums. Bilder für die Presse Der Bedarf an visuellem Informationsmaterial wuchs Anfang des 20. Jahrhunderts an. Die Neugier der Menschen auf das, was in der Welt geschah, schien grenzenlos. Der Hunger nach Bildern der nicht bekannten Welt, aber auch des alltäglichen Geschehens hatte eine Expansion der Printmedien zur Folge. Die Schaulust der Menschen war durch die zunehmende Verwendung von Fotografien in den Zeitschriften gestiegen und eröffnete für die Fotografen ein neues Terrain. Es entstand die moderne Bildberichterstattung, deren herausragender Vertreter in Deutschland Erich Salomon war. Ebenso wie viele seiner Berufskollegen war er kein gelernter Fotograf, sondern Autodidakt. Bekannt wurde er durch seine Aufnahmen von Politikern in der Berliner Illustrierten Zeitung und sein Buch, das ›Berühmte Zeitgenossen in unbewachten Augenblicken‹ zeigt. Auch Wolfgang Weber erkannte die beruflichen Perspektiven, die der Bildjournalismus jungen Leuten, »outsidern«, bot. Neben Felix H. Man, den Gebrüdern Gidal, Kurt Hübschmann, Alfred Eisenstaedt, Harald Lechenperg und anderen zählte er zu den Bildberichterstattern, die im Auftrag der damaligen illustrierten Zeitungen und Zeitschriften Reportagen aus dem In- und Ausland lieferten. Auch in der jungen UdSSR entwickelten sich Film und Fotografie zum wichtigsten Informations- und Propagandamittel. Boris Ignatovic, Schüler und Weggefährte des Künstlers Alexander Rodtschenko, vertrat eine Strömung, die das Neue Sehen in der Fotografie auch für die Berichterstattung erschließen wollte. Man suchte nach einer neuen Bildsprache, die die veränderten sozialen und politischen Verhältnisse zum Ausdruck bringen und für die Zukunft propagieren sollte. Nach 1933 Aufgrund der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 in Deutschland und die sofort eingeleitete Gleichschaltung der Presse mussten viele Fotografen sowie Agenturen- und Zeitschriftenmitarbeiter Deutschland verlassen. Mit ihren Ideen und Erfahrungen fanden sie besonders in England und den USA Beachtung und neue Arbeitsmöglichkeiten. Lisette Model hatte Österreich bereits 1922 verlassen, um in Paris Malerei zu studieren. Die Fotografie wurde erst einige Jahre später in dem Emigrationsland USA zu ihrem Beruf. Das hier vorgestellte Foto entstand um 1934 an der Französischen Riviera in einer Bildfolge auf der ›Promenade des Anglais‹ in Nizza, als sie bereits auf dem Weg in die amerikanische Emigration war. Die Fotografische Sammlung hat sich in ihrer Ausstellungstätigkeit immer wieder sowohl thematisch als auch monografisch mit den Protagonisten der 1920er Jahre und speziell einiger Emigranten beschäftigt. Erfreulicherweise erhielt sie in Folge umfangreiche Werkgruppen von Aenne Biermann, Lotte Jacobi und Annelise Kretschmer, die Nachlässe von Errell, Lotte Errell, Helmar Lerski, Germaine Krull und Walter Peterhans und konnte durch die Vermittlung von Floris Neusüss in Kooperation mit dem Centre Pompidou, Paris, eine hervorragende Kollektion der Arbeiten von Moholy-Nagy erwerben.
Jäger und Gejagte, Beschützer und Beschützte, Haustiere und Nutztiere – Tiere spielen in unserem Leben ganz unterschiedliche, oft widersprüchliche Rollen. In Literatur und Theater, bildender Kunst und Kunsthandwerk wird das Motiv des Tieres deshalb seit Jahrtausenden wie ein Gefäß benutzt, das mit verschiedenen Bedeutungen gefüllt werden kann. In der Sammlung des Museum Folkwang reicht die Bandbreite der Darstellungen vom ornamentalen Fliesendekor bis zum Entwurf einer Kühlerfigur. So wie Pinocchio im Roman von Carlo Collodi auf den listigen Fuchs und den schlauen Kater trifft, werden Tiere aufgrund ihrer Eigenschaften zu Symbolfiguren. In Schmuckstücken oder Andachtsobjekten übertragen sie ihre Kräfte auf den Menschen; in Erzählungen und Märchen dienen sie aber auch dazu, unsere menschlichen Eigenarten zu karikieren. Insofern halten uns die hier ausgestellten Werke nicht selten einen Spiegel vor Augen.
Josef Albers, der 1933 in die Vereinigten Staaten emigriert, wird mit seiner Serie ›Homage to the Square‹ zu einem der wichtigsten Anreger der US-amerikanischen Kunst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Für die Vertreter der Hard Edge-Malerei ist das Bild keine malerische Illusion, sondern ein reales Objekt, das die Wand des Ausstellungsraums einnimmt. Sie verzichten auf eine erkennbare malerische Handschrift und eine freie Komposition des Bildaufbaus. Die Farbe wird großflächig und gleichmäßig aufgetragen. Die systematische Gliederung der Bildfläche ergibt sich aus der äußeren Form. Diese muss nicht länger rechteckig sein, sondern kann wie bei Frank Stella und Kenneth Noland verschiedene geometrische Umrisse annehmen. Aufgrund ihrer Dimensionen entfalten die Bilder eine starke räumliche Wirkung.
Karl Ernst Osthaus ist der erste deutsche Museumsdirektor, der Werke des niederländischen Malers Vincent van Gogh ankauft. Zwischen 1902 und 1905 erwirbt er drei Gemälde des Künstlers. In engem Austausch mit Henry van de Velde entwickelt Osthaus ein sicheres Gespür für zeitgenössische Malerei und sammelt ab 1902 neben van Gogh auch Künstler wie Gauguin, Daumier, Renoir und Cézanne. Die Übersendung von 18 van Gogh-Gemälden zur Ansicht nach Hagen 1902 durch den Kunsthändler Paul Cassirer geschieht aller Wahrscheinlichkeit nach auf Veranlassung van de Veldes. Der belgisch-flämische Künstler sieht bei einem Besuch der Witwe Theo van Goghs in Bussum den Nachlass von Vincent van Gogh und rät dem befreundeten Osthaus begeistert zum Kauf zunächst zweier Werke. Ab 1903 sammelt Osthaus auch Zeichnungen des Künstlers; die ersten Blätter erwirbt er von dem Kunsthändler Ambroise Vollard in Paris, darunter auch ›Paysanne arrachant de l'herbe‹ (1885). Unter den 1902 erworbenen Gemälden befindet sich das ungewöhnlich klare, in der Farbgebung kontrastreiche ›Portrait d‘Armand Roulin‹ (1888). Der Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe beschreibt die Neuerungen in der Malerei dieses Bildes, nachdem er es in Hagen gesehen hatte: »Das Bild ist dünn gemalt, absolut nicht wie die anderen. Die Farben sind: blauer Hut, grüner Hintergrund in den Farben des Wassers, alles vereint in gelb und blau. Die Ausführung ist vollendet, nirgends künstlich.« Van Gogh hatte sich in Arles mit dem Vater des jungen Mannes angefreundet; zahlreiche Porträts von ihm und seiner Familie zeugen davon. Ein weiteres Meisterwerk van Goghs ist das Gemälde ›Le parc de l’hôpital, à Saint Rémy‹ (1889), das den von einer Natursteinmauer umfriedeten Garten der Krankenanstalt zeigt, die van Gogh 1889 wegen akuter Gemütsveränderung aufsuchte. Wir wissen durch einen Brief an Émile Bernard von der starken Wirkung des zur Nerven-Heilanstalt gehörenden Parks auf den Künstler. In ›Le parc de l’hôpital, à Saint Rémy‹ gibt er eine von Wetter und Jahreszeit geprägte Landschaft stimmungsvoll wieder. Auf der anderen Seite der den Garten umgebenden Natursteinmauer öffnet sich der Blick auf eine weite Ebene vor hügeliger Landschaft. Van Gogh konnte sie täglich aus seinem Fenster beobachten. Die schwefelgelben Felder regten ihn zu so wunderbaren Gemälden wie ›La moisson‹ (1889) an. Er hat dieses Motiv mehrfach in Gemälden und Zeichnungen variiert. Im Herbst 1905 zeigt Karl Ernst Osthaus 11 Gemälde und 3 Zeichnungen van Goghs im Museum Folkwang, die er über Frau Cohen-Gosschalk-Bonger als Vertreterin der Familie van Gogh erhält. Es ist zu vermuten, dass der Sammler aus diesem Konvolut das Gemälde ›Le parc de l’hôpital, à Saint Rémy‹ sowie eine Auswahl der bis heute in Museumsbesitz befindlichen Zeichnungen erwarb, so etwa ›La pluie‹ (1890) oder ›Vue de la Crau‹ (1888). Das Gemälde ›Les bateaux amarrés‹ (1888) kaufte hingegen Ernst Gosebruch 1912 bei dem Kunsthändler Eugène Druet in Paris für das Essener Kunstmuseum, mutig und angespornt durch das Beispiel Karl Ernst Osthaus‘ in Hagen. Der rührige Vorgang des Entladens der am Kai befestigten Rhônebarken inmitten einer leicht bewegten Wasserfläche hatte eine besondere Faszination auf van Gogh ausgeübt. Zur Zeit ihres Ankaufs galten Werke van Goghs und anderer zeitgenössischer französischer Künstler wie Honoré Daumier, Paul Gauguin, Auguste Renoir oder Paul Cézanne noch nicht als die »Klassiker«, die in exemplarischer Weise die Problematik ihrer Epoche ausarbeiteten und dadurch die Kunst der Moderne maßgebend beeinflussen sollten. Umso beeindruckender ist es, wie schnell Karl Ernst Osthaus in diesen Künstlern das Potenzial erkannte, die schöpferischen Kräfte ihrer Epoche und deren Wandel am stärksten zu repräsentieren. Werke van Goghs erregten dabei durch ihre völlige Neuartigkeit der Malerei besonderes Aufsehen. Osthaus stellte ›La moisson‹ als erstes angekauftes Werk van Goghs bereits bei der Eröffnung des Museums 1902 aus. Mit der ›Lise‹ Renoirs (1867) und Werken van Goghs befinden sich im Museum Folkwang Zeugnisse sowohl des beginnenden Impressionismus als auch der Zeit dessen Überwindung.
Klaus vom Bruch, Ulrike Rosenbach und Marcel Odenbach sendeten 1977 als erste Künstler in Deutschland ihr eigenes Fernsehprogramm – nicht auf einem Kanal der Öffentlich-rechtlichen Anstalten, sondern illegal auf einem der freien Kanäle. Der Piratensender erreichte in einem Radius von hundert Metern die nächste Umgebung. Programmzettel wurden verteilt und für Freunde, die den Sender nicht empfangen konnten, stand ein Fernsehmonitor auf einem Bildhauersockel im Zentrum des Ateliers. ›Alternativ-Television‹ war auf Sendung. Klaus vom Bruch und Ulrike Rosenbach waren 1976 aus den USA zurückgekehrt, wo sie die Bewegung der ›Guerilla-Television‹ kennengelernt hatten. Zusammen mit Marcel Odenbach gründeten sie in Köln das Video-Label ›ATV‹. Bis dahin waren Künstler für die Postproduktion ihrer Videos auf den guten Willen der großen Fernsehstudios angewiesen gewesen. Nach vier Jahren wurde das Label in ›Videorebellen‹ umbenannt. Unter diesem Namen sendeten sie 1981 im ZDF in Zusammenarbeit mit Rune Mields den Westprotest, um gegen den Ausschluss der Videokunst aus dem Museum zu revoltieren. Die Hoffnung, die Fernsehanstalten zu erobern, erfüllte sich auch bei den neuen Privaten Sendern nicht. Im Lauf der 1980er Jahre wurden installative Videopräsentationen wichtiger, das Videolabel produzierte 1984 seinen letzten Film. Die Rebellion – ›ATV‹ und ›Videorebellen‹ 1979 – 1982 ›ATV‹ hatte ein spielerisches Programm: Neben ihren eigenen Produktionen zeigten sie Videos befreundeter Künstler. In diesem Programm folgten auf Fernsehparodien dokumentarische Formate, Fernsehzitate auf Performance-Aufzeichnungen, zeitgenössische Politik auf eine Klangmeditation. In der Ausstellung ›Spurensuche‹ im Kölnischen Kunstverein kündigten sie 1978 ihr Programm an. Ein festgelegtes Programm von zwölf Titeln sollte täglich ab 18 Uhr gezeigt werden. »Einblendungen von Zuschauern müssen jederzeit als 'Bild – im – Bild' über den Rück-Kanal möglich sein. Die akustische Einblendung wird der Entscheidung des Zuschauers überlassen«, so die Anweisung der ›Videorebellen‹. Regime – Fernsehen und Bildmacht »Alternativ Television, Köln, entstanden nach tausenden von Stunden vor europäischem und amerikanischem Fernsehen.« (1978) Die Bildsprache und Inhalte des Programms widerstanden den Regeln der offiziellen Medien, sie unterwanderten ihre Strategien, stellten sie in Frage. Im Unterschied zur Revolution ist die Rebellion nicht vom Entwurf eines neuen Machtsystems abhängig. Albert Camus interpretierte die Revolte als einen individuellen Widerstand gegen die Unfreiheit und als solche galt sie ihm als existentiell. Die Revolte ermögliche einen Erkenntnisprozess in der Gesellschaft: die Sichtbarwerdung der Unterdrückung. Rebellinnen und Rebellen – Rollenbilder Einige der Videos sind von subtiler Ironie geprägt. Ihre Auseinandersetzung mit männlichen und weiblichen Rollenklischees spart den modernen Künstler nicht aus. In dessen Bild überblenden sich der jugendliche Rebell und der avantgardistische Kämpfer. Dem steht die Vorstellung der kriegerischen Amazone zur Seite. Zeitgenössische Insignien der Rebellion finden sich in den Videos wieder, Insignien wie sie der Guerillero gegen eine umfassende Kameraüberwachung braucht: die Sturmhaube oder die Strickmütze mit Augenschlitz verbergen die Identität des Rebellen. Nach der Rebellion ist vor der Rebellion – Videos nach 1982 Der Widerstand gegen die vorherrschende mediale Bilderwelt prägt die künstlerische Arbeit von Bruch, Odenbach und Rosenbach auch nach der Schließung des Videorebellen-Studios. Vom Bruch lässt in ›Azimut‹ die weltweit verbreitete Satellitenschüssel kreisen, Rosenbach hinterfragte die Ausbeutung der Natur, Odenbach setzte sich in mit Unterdrückung und Rebellion in den ehemaligen Kolonien auseinander. Mit ihrem Konzept eines Guerilla-Fernsehens nahmen sie heutige Videoplattformen vorweg. Die Video-Rebellion lebt weiter.
Koptische Textilien Ägypten, 3. – 8. Jhd. n. Chr. Unter den Anhängern der Kunstgewerbe- Bewegung war es nahezu ein „Muss“, eine Kollektion spätantiker Textilien aus Ägypten zu besitzen, galten sie doch bis zur Entdeckung des Grabes von Tut-Anch-Amun in den 1920er Jahren als die ältesten Textilien überhaupt. Überdauert haben sie als Füllmaterial und Kleidung von Mumien sowie als Lumpen in Abfallhaufen antiker Siedlungen. Gemeinhin werden diese Textilien als ›koptisch‹ bezeichnet. Damit werden eine Assoziation mit den Christen Ägyptens, den Kopten, geweckt und ein religiöser Zusammenhang vorgegeben. Diese christliche Gemeinschaft hat sich jedoch erst im Jahr 451 n. Chr. von der Hauptkirche abgespalten, die Textilfunde jedoch datieren zum Teil wesentlich früher. Zudem weisen sie eine hellenistische Tradition der Motive auf, die ungebrochen bis in die islamische Zeit weiterlebt. Somit wird ›koptisch‹ hier in seiner ursprünglichen Bedeutung als ›ägyptisch‹ verwendet, einer Kurzform, die sich aus dem griechischen ›Aigyptioi‹ gebildet hat. Bei den von Karl Ernst Osthaus zusammen getragenen Textilien richtete sich der Fokus vor allem auf die künstlerisch-handwerkliche Ausführung der Ornamente. Die Fragmente, zumeist Zierfelder, wurden aus erhaltenen Geweben und Gewändern ausgeschnitten und einzeln verkauft.
Kristalle offenbaren die geometrische Seite der Natur. In der Kunst verbinden sich in den kristallinen Motiven Abstraktes und Gegenständliches, denn im Kristall ist das Abstrakte zugleich Natur. In den 1910er Jahren avancieren kristalline Formen zu einem Symbol für den utopischen Aufbruch ins Transzendente. Insbesondere im Expressionismus möchten Künstler:innen eine Erhöhung des einfachen Lebens mit künstlerischen Mitteln schaffen – so wie Kohlenstoff sich zu Diamantkristall wandelt. In verschiedenen künstlerischen Bewegungen findet sich das Kristalline als Leitmotiv: Lyonel Feininger kristallisiert auf seinen Gemälden mit den Mitteln seines ›Prismaismus‹ den Raum, Max Ernst lässt die mineralogische Form kosmisch in alle Richtungen strahlen, während Fritz Winter es mit seinem monumentalen Gemälde ›Der Stern‹ ins All ausdehnt.
Kunst und Werbung sind eng mit der modernen Großstadt verbunden. Plakate, Leuchtschriften und Schaufenster bestimmen seit dem späten 19. Jahrhundert das Erscheinungsbild des städtischen Raums. In der Moderne wird deshalb immer wieder die dadurch veränderte Wahrnehmung des Menschen thematisiert. Kunst und Werbung konkurrieren beide um die Aufmerksamkeit des Publikums. Die Pop Art bewegt sich dabei bewusst auf dem schmalen Grat zwischen einer kritischen Distanzierung von Reklame und Starkult einerseits und einer kalkulierten Nutzung ihrer Ästhetik andererseits. Die Plakatgestalter wiederum greifen die Bildsprache der Kunst und journalistischen Fotografie auf und arbeiten mit den daran geschulten Sehgewohnheiten und Erwartungen. Auf diese Weise wechseln einzelne Motive und Slogans, den eigenen Zwecken jeweils angepasst, zwischen den beiden Seiten hin und her.
Kunstfotografie Ende des 19. Jahrhunderts bestimmten zwei wichtige Faktoren die Entwicklung der Fotografie: Die stetig steigende Nachfrage nach fotografischen Bildern und die damit einhergehende Expansion des Gewerbes. Bisher war die Fotografie nur kleinen Kreisen der Gesellschaft zugänglich. Doch durch die Vereinfachung des Aufnahmeverfahrens und die Verbesserung der Kameratechnik erweiterte sich der Personenkreis derer, die mit der Fotografie ihren Lebensunterhalt verdienten. Mit der ›carte de visite‹ wurden erstmals fotografische Porträts als Massenware auch für breite Gesellschaftsschichten erschwinglich. Nicht mehr die Qualität einer Aufnahme, sondern die Quantität stand im Vordergrund. Gegen diese allgemeine Tendenz der Standardisierung und Kommerzialisierung in der Fotografie wandten sich international Gruppen von Amateurfotografen. Ihre Vorstellungen wurde unter dem Begriff Kunstfotografie oder Pictoralismus bekannt. Das Kleeblatt Heinrich Kühn gehörte zu den wichtigsten Persönlichkeiten der deutschsprachigen Kunstfotografenbewegung. 1887 schloss er sich in Wien mit Hugo Henneberg und Hans Watzek zu einer Künstlergemeinschaft zusammen, die sich das ›Kleeblatt‹ nannte. Sie tauschten untereinander ihre Erfahrungen aus, übten gegenseitig Kritik und organisierten gemeinsam Ausstellungen, um als Gruppe ihre Interessen gegenüber Ausstellern und Galeristen besser vertreten zu können. Ihr Ziel war es, die Fotografie als eigenständiges künstlerisches Medium zu etablieren und sie gegen den Vorwurf zu verteidigen, ein rein mechanisches und damit unkünstlerisches Bildmittel zu sein. Um größtmögliche gestalterische Einflussnahme auf den fotografischen Prozess ausüben zu können, bedienten sich die Kunstfotografen der sogenannten Edeldruckverfahren, zu denen auch Gummi- und Öldrucke zählen. Durch eine Vielzahl von Manipulationsmöglichkeiten konnte die Aufnahme soweit verändert werden, dass sie mit dem ursprünglichen Kamerabild nicht mehr viel gemein hatte. Die Arbeit am Positiv galt deshalb als der eigentlich schöpferische Akt, bei dem das Negativ lediglich den Ausgangspunkt markierte. Als Hans Watzek 1895 Heinrich Kühn mit dem Gummidruck bekannt machte, handelte es sich eigentlich um eine Wiederaufnahme des Verfahrens, das bereits in den 1850er Jahren in Frankreich bekannt war. Davon ausgehend entwickelten sie die Technik des mehrschichtigen Gummidrucks weiter. Die Wahl und Komposition des Motivs orientierte sich an dem Kunstgeschmack der Zeit. Man verließ die Ateliers, ging hinaus in die Natur oder fotografierte in privaten Interieurs. Die Fotografische Sammlung besitzt ein herausragendes Konvolut von 127 Werken Kühns, darunter der erste zweifache Gummidruck ›Porträt Emma Kühn‹, 1896 und ein dreifarbiger Gummidruck ›Die Wiese‹, 1898, ein Papiernegativ in der Größe von 73 x 55 cm, sowie fünf Abzüge Hennebergs und ein Abzug von Watzek. Hugo Erfurth Der aus Halle stammende Hugo Erfurth war eigentlich Berufsfotograf, arbeitete aber schon in jungen Jahren im Sinne der Kunstfotografen, die sich als begeisterte Amateure verstanden. Bekannt geworden ist Hugo Erfurth vor allem durch seine Porträts. Sein Atelier in Dresden war stets beliebter Treffpunkt für Künstler und andere Persönlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens. Während es den Kunstfotografen in der Bildnisfotografie in erster Linie auf die künstlerische und bildmäßige Gestaltung ankam, hinter der das Individuelle des Menschen zurücktreten musste, versuchte Erfurth das Wesen der Persönlichkeit zu erfassen. An den aufwendigen Edeldruckverfahren hielt er noch in den 1920er Jahren fest, als sich bereits andere ästhetische Maßstäbe durchgesetzt hatten. In der Sammlung befinden sich 115 Werke.
Künstler:innen setzen sich auf ganz unterschiedliche Weise mit Identität, Geschlecht und Sexualität auseinander. Hier stehen Darstellungen jenseits heterosexueller Normen im Fokus. Die amorphen Gestalten in ›Les amoureux‹ (Die Liebenden) von Yves Tanguys nähern sich einander an und überschreiten dabei menschliche Körperformen. Bei Roni Horn wird fließendes Wasser zum Sinnbild für die Wandelbarkeit des Selbst, um die es ihr auch in ihren nur scheinbar identischen Doppelbildnissen und ihren zerlegten und neu montierten Papierarbeiten geht. George Minnes Brunnenfiguren und Maillols ›Le Coureur Cycliste‹ (Der Radrennfahrer) bringen eine zarte und verletzliche Männlichkeit zum Ausdruck, während Harry Hachmeister Normen der Selbstinszenierung ironisch unterläuft. Plakate aus der Geschichte verschiedener aktivistischer Bewegungen machen deutlich, dass aktuelle queere Positionierungen das Ergebnis jahrzehntelanger gesellschaftlicher und politischer Kämpfe sind.
Künstlerische und angewandte Fotografie deutscher und internationaler Bildautoren bilden den Sammlungsschwerpunkt für die Zeit nach 1945. Subjektiver Gestaltungswillen Die umfangreichen Bildkonvolute der Gruppe ›fotoform‹ und der von Otto Steinert zusammengefassten Exponate der Ausstellungstriologie ›subjektive fotografie‹ stehen für die künstlerischen Bestrebungen einer Fotografengeneration, die in der Nachkriegszeit ihren selbst erhobenen Ansprüchen nach freien und bewusst gestalterischen Bildlösungen folgten. Für ihre fotografische Interpretation der Wirklichkeit knüpften sie an die Experimente der fotografischen Avantgarde der 1920/30er Jahre an. Während die Gruppe ›fotoform‹, zu der u. a. die Fotografen Otto Steinert, Ludwig Windstosser, Wolfgang Reisewitz und Peter Keetman gehörten, in ihrer Zielsetzung zunächst noch das Formale in der Bildgestaltung betonte, verweist das Konvolut ›subjektive fotografie‹ auf ein umfassenderes Konzept, das die berichtende internationale Fotografie einschließt. Angewandte Fotografie Auch auf dem Feld der angewandten Fotografie waren präzise Gestaltung und kreative Bildlösungen gefragt. Mit dem ›Wirtschaftswunder‹ der 1950er Jahre war den künstlerisch ambitionierten Berufsfotografen ein ebenso vielfältiges wie wesentliches Terrain für ihren Lebensunterhalt gegeben. Neben den fotografischen Nachlässen von Steinert und Keetman sind in der Sammlung große Werkgruppen von Gebrauchsfotografen wie Ewald Hoinkis, Willi Moegle oder Nils Laugesen vorhanden, die Einblick in das weite Feld der Architektur-, Industrie-, Sach- und Modefotografie bieten. Die überwiegend minimalistisch aufgefassten Stillleben des amerikanischen Fotografen Irving Penn entstanden im editorischen, werblichen und künstlerischen Kontext. Durch große Werkgruppen deutscher Fotografen ist auch der dokumentarische Bildjournalismus dieser Zeit vertreten: Erwähnt seien Rolf Gillhausens Bildreportagen , der vor allem als ambitionierter Bildredakteur der Magazine ›Stern‹ und ›Geo‹ bekannt und mit einer ersten Ausstellung in Essen 1986 als Fotograf gewürdigt wurde. Weitere Fotografien und Reportagen stammen von Eberhard Seeliger, Robert Lebeck, Jürgen Heinemann oder Barbara Klemm. Mit Arbeiten von Eugene Richards, Leonard Freed, Gilles Peress oder Edward Adams bietet die Folkwang Sammlung darüber hinaus einen Einblick in die internationale Spannbreite dieses Genres, in das individuell differenzierte Engagement und die entsprechenden Visualisierungsstrategien. Ungewohnte, individuelle Statements Der deutschstämmige Schweizer Robert Frank, der mit ›The Americans‹ 1955 ein sehr persönliches, gesellschaftskritisches Statement vorstellte, leistete einen frühen Beitrag für die Emanzipation der berichtenden Fotografie als künstlerisches Ausdrucksmittel. Außerhalb der Aufträge wurden die dokumentarischen Qualitäten von Fotografie und Film zusehends zu selbstreflexiven, experimentellen oder metaphorischen Stellungnahmen eingesetzt. Skurrile, tragik-komische, hintergründige und schonungslose Bildbeispiele dieser Entwicklung sind in der Sammlung durch Namen wie Lee Friedlander, Larry Fink, Garry Winogrand und Lary Clark aus den USA oder durch den Tschechen Josef Koudelka präsent. Facetten des Portraits Auch die vielseitige und genreübergreifende Darstellung des Menschen innerhalb dieser Zeitperiode ist in der Folkwang Sammlung präsent: mit Steinerts streng komponierten Aufnahmen von Nobelpreisträgern aus den 1960ern; mit Beispielen von Richard Avedon und Irving Penn oder mit Diane Arbus Portraits, die gesellschaftliche Extreme erfasst. Die zwei Arbeiten von Arnulf Rainer, Beispiele seiner medien- und selbstreflexiven Erkundungen aus der Serie ›Faces Farces‹ wurden in der Sammlung durch Beispiele seiner Photomatons ergänzt. Beispielhaft für die unterschiedlichen Charakterisierungen der »Deutschen« in den 1960/70ern stehen Bilder aus Projekten des Schweizers René Burri, der Amerikaner Leonard Freed und Will McBride sowie der deutschen Fotografen Stefan Moses, Gabriele und Helmut Nothhelfer oder Timm Rautert.
Man könnte annehmen, das Theater gewähre dem Gestalter besondere Freiheit, denn schon lange zählt es zu den kreativ herausfordernden und künstlerisch anspruchsvollen Themen für das Medium Plakat. Doch die Freiheit wird jedes Mal neu erkämpft: in der Auseinandersetzung mit dem Stück, seiner aktuellen Interpretation und der Aufführungspraxis sowie unter Berücksichtigung der Vorstellungen von Intendant, Regisseur, Dramaturg, Ensemble und Träger des Hauses. Der Gestalter muss eine grundsätzliche Entscheidung treffen: Entweder er orientiert sich beim Entwerfen des Plakats an der Intention der Aufführung oder er bringt seine subjektive Perspektive ein und entwickelt das Plakat als eigenständigen Beitrag zu Stück und Inszenierung. In diesem Handlungsspielraum entstehen Plakate für das Theater. Die Ausstellung ›Flächen, die die Welt bedeuten‹ ist zwei Gestaltern gewidmet, die seit vielen Jahrzehnten Theaterplakate entwerfen. Beide gestalten ihre Plakate als eigenständige Beiträge: Frieder Grindler nutzt dabei die Fotomontage, Volker Pfüller Zeichnung und handschriftliche Typografie. In der Unterschiedlichkeit ihrer Ansätze liegt der besondere Reiz, beide Positionen einander gegenüberzustellen. Denn so wird nicht nur der Blick für Besonderheiten und Unterschiede geschärft, sondern es wird auch offenkundig, dass die unterschiedlichen Lösungen für die gleiche Aufgabenstellung gleichermaßen Gültigkeit haben. Frieder Grindler (*1941) wurde Ende der 1960er Jahre mit seinen spektakulären Fotomontagen bekannt, die er zunächst für Plakate für das ›Tübinger Zimmertheater‹ entwarf. Seine Arbeiten scheinen dem Betrachter eine objektive Wirklichkeit zu zeigen, deren Quellen fotografisch sind. Diese Wahrnehmung aber entpuppt sich schon beim zweiten Wimpernschlag als fantastischer Irrtum. Mit komplexen Bildmanipulationen durchdringt Grindler ein Thema und visualisiert, worum es eigentlich geht. Neben der Fotomontage sind es die »Realmontagen«, die diesen Eindruck erwecken; inszenierte Situationen werden eigens für das Plakat erzeugt und fotografiert. Der spielerische Umgang mit dem Inhalt eröffnet zumeist erst nach der Kenntnis von Stück und Aufführung die Möglichkeit, die Anspielungen des Plakats gänzlich zu verstehen. Volker Pfüller (*1939) hinterlässt mit jeder Arbeit eine Marke – nur ein Plakat von ihm kann so aussehen. Kaum ein anderer Gestalter hält derart streng an der eigenen Bildsprache fest und bewegt sich flexibel nur innerhalb der selbst gesetzten Grenzen. Die Art der Zeichnung, die Verwendung von Farbe und der Umgang mit Typografie sind immer Ausdruck eines geradezu privat anmutenden Stils. Man muss sich also die Frage stellen: Wie viel von der Person Volker Pfüller steckt in jedem Plakat? Mehr als man zunächst vermuten würde, denn sooft es geht, zeichnet er selbst auf den Stein, die Druckplatte oder die Folie, schneidet selbst ins Linoleum. Erst während des Prozess des Druckens wird sein Entwurf endgültig abgeschlossen. Pfüller stellt überwiegend die Hauptperson des Stücks mit den Zügen des jeweiligen Schauspielers dar. Zeichnung, Farbe und Typografie geben eine charaktervolle Porträtstudie und einen Kommentar zur Interpretation des Stücks wieder. Aus Anlass der Ausstellung erscheinen zwei separate Kataloge. Sie schließen eine erste Reihe von Monografien zu Plakatgestaltern der Gegenwart ab. [Siehe http://www.museum-folkwang.de/de/buchbestellung/publikationen]
Mit dem Begriff islamische Kunst werden Kunstwerke bezeichnet, die in den Ländern von Spanien bis nach China und Indonesien entstanden, als diese Gebiete seit dem 7. Jahrhundert zum neugebildeten islamischen Weltreich gehörten. Von Beginn an tendierte die islamische Kunst dazu, Motive zu abstrahieren oder zu stilisieren. Sie bevorzugte daher flächige zweidimensionale und ungegenständliche Motive. Als die vorherrschende Grundlage für künstlerische Schönheit wurde von islamischen Künstlern und Theoretikern immer wieder die Harmonie betont. Man sah in der Darstellung von Ausgewogenheit und Ordnung eine Möglichkeit, das Wesen Gottes zum Ausdruck zu bringen. Geometrische Muster dürfen deshalb nicht als rein dekorativer Dekor verstanden werden. Sie sind vielmehr dazu gedacht, die Schönheit Gottes zu offenbaren. In der Kunst der islamischen Welt, dürfen – anders als in Europa – keine dreidimensionalen und naturalistischen Schmuckmotive in ihren Dekoren verwendet werden. Dabei ging es aber nie um religiöse Konzepte der islamischen Kunst, sondern man setzte sich unter rein ästhetischen Gesichtspunkten mit deren Prinzipien auseinander. Der große Bestand spanisch-islamischer Objekte in den Essener Sammlungen ist auf die persönliche Bewunderung Karl Ernst Osthaus’ für dieses Kunsthandwerk zurückzuführen. Im Winter 1908/09 reiste er in Begleitung eines Kunsthändlers und des damaligen Architekturstudenten Walter Gropius (1883 - 1969) nach Spanien, um Keramik und andere Kunst wegen der Vielfalt ihrer Formen, ihrer Dekore und der Glasuren zu erwerben. Die fast 500 Beispiele spanisch- maurischer Kunst im Museum Folkwang kamen mit dieser Reise nach Deutschland. Es gibt darunter viele Fliesen, die als Einzelstücke oder als Fliesenpaneele angekauft wurden, aber auch zwölf flache Schalen mit dem sehr bewunderten Lüsterdekor, einer Glasur mit Metall-Legierung. Islamisches Glas Ursprünglich fanden sich in der Sammlung Gläser aus der Entstehungszeit des Handwerks in Ägypten vor 3500 Jahren bis zu Glaswaren des 19. Jahrhunderts. Die Geschichte der Inspirationen ist oft eine Geschichte fruchtbarer Missverständnisse: Die irisierenden Effekte der Gläser aus dem Vorderen Orient waren von den Glasbläsern nicht beabsichtigt gewesen. Sie entstanden erst im Laufe der Zeit durch Oxidation. Gerade diese schillernden Farben regten jedoch Glasgestalter und Keramiker des Jugendstils in Lothringen zu neuen Techniken an.
Mit selbstbewusster Geste malt Otto Mueller um 1919 seine Ehefrau Maschka und stellt ihrem Gesicht eine hölzerne Maske zur Seite – ein Symbol des Malers selbst, der sich von Maschka entfremdet fühlt. Die Maske schafft bildliche Distanz und zeigt, wie die Weltkunst den Formenkanon der europäischen Kunst verändert. Auch im theatralischen Spiel hat die Maske eine Funktion. Sie überspitzt, karikiert und legt auf subtile Weise Wesenszüge offen, die ansonsten hinter der Fassade des Alltags unsichtbar blieben. Ob in der Malerei, der Grafik, der Plakatkunst oder der Fotografie, die Maske ist allgegenwärtig. Sie bietet eine Projektionsfläche für Fantasie und lässt die Protagonisten in neue Rollen schlüpfen.
Nachdem Germaine Krull (1897 Posen-Wilda – 1985 Wetzlar) als Fotoreporterin gearbeitet hatte, leitete sie von 1946 bis 1966 das Hotel ›Oriental‹ in Bangkok. Sie veröffentlichte zwei Bücher über Thailand: 1964 erschien ›Bankok. Siam’s City Of Angels‹ (Robert Hale, London) und 1966 ›Tales from Siam‹ ( Robert Hale, London), in dem sie zusammen mit Dorothea Melchers über ihr dortiges Leben berichtete. In dieser Zeit sind über 2000 Fotografien von Buddha Statuen in Thailand und Kambodscha entstanden. Krull entwickelte eine Freundschaft zum Abt des Klosters von Chiang Mai und eine tiefe Beziehung zum Buddhismus. Später nahm sie in Indien den buddhistischen Glauben an. Die Werkgruppe Krulls entstand nicht im Rahmen eines wissenschaftlichen Projekts, sie zeugen von einem persönlichen Interesse und zugleich tiefen Respekt für die Kultur des Landes. Die fotografierten Statuen sind im Gebrauch in ihrem ursprünglichen Kontext zu sehen. Selbst die Skulpturen in Tempelruinen zeigen manchmal durch eine Schärpe, dass sie noch als Heiligtum verehrt werden. Besonders faszinierte Krull das Verschmelzen der steinernen Artefakte mit der Natur durch überwuchernde Flechten und Schlingpflanzen.
Nachdem Max Pechstein aus Paris zurückgekehrt ist, schlägt ihn das Berliner Nachtleben in seinen Bann. Unter dem Eindruck von Varieté und Theater entstehen 1909 erste Kompositionen, die sich mit dem Tanz auseinandersetzen. 1910 wird die Beschäftigung mit dem Thema gar zum Gegenpol des Arbeitens in der freien Natur und Pechstein notiert: »Meine Mori[t]zburger Arbeiten sind leider ganz energielos und [ich] will jetzt mächtig loslegen, sobald [ich] etwas Mittel habe, [habe] 2 Tanzsäle vor […]«. ›Tänzer‹ ist eines der Gemälde, die im Herbst/Winter 1910 in Berlin entstehen. Bereits um 1911 geht das Werk in den Besitz des Theaterkritikers und Dramaturgen Felix Hollaender über, der als Nachfolger von Max Reinhardt das Deutsche Theater Berlin leiten wird. Seither in Privatbesitz konnte der Folkwang-Museumsverein das Gemälde im Dezember 2019 aus Mitteln des Nachlasses von Dr. Walter und Liselotte Griese für die Sammlung des Museum Folkwang erwerben. Der Neuankauf wird hier in wechselnden Präsentationen mit Werken von Edgar Degas über die Künstlergruppe Brücke bis hin zu Fotografien des Tanztheaters Pina Bausch kontextualisiert.
Ob in der Malerei oder der Fotografie – die Fläche des Bildes will bewältigt werden. In Serien und Experimenten, die um Gestalt und Form kreisen, wird der Bildraum erforscht und erweitert: Was ist ein Bild, warum entsteht es, welche Grenzen setzt es und was ruft es hervor? Günther Uecker beantwortet diese Fragen mit dreidimensionalen Nagelbildern, die mit unterschiedlichem Lichteinfall und Betrachtungswinkel zu flirren beginnen. Roman Opalka schreibt mit Akribie fortlaufende Zahlen auf seine Leinwand. Sie sollen das Vergehen der Zeit symbolisieren. Lotte Jacobi, Oskar Kreisel und Otto Steinert erschaffen in der Dunkelkammer abstrakte Fotografien, deren Dynamik und Expressivität allein durch unterschiedliche Lichtführung auf dem Fotopapier hervorgerufen werden.
Objekte außereuropäischer Kulturen sind aus vielen Gründen in europäische Museen gelangt. Gebrauchsgegenstände und Materialproben sammelte Karl Ernst Osthaus nach dem Konzept der Kunstgewerbemuseen. Sie sollten als Inspiration für Gestalter und Entwerfer wirken. Auch die Auswahl der Keramiken für das Museum Folkwang war von zeitgenössischen Kunstgewerbe-Bewegungen beeinflusst. Auf der einen Seite finden sich Gruppen mit floralem Dekor, wie er beispielsweise von Gallé als Vorlage verwendet wurde. Auf der anderen Seite stehen Vasen, deren Oberfläche abstrakt, nur durch die Materialität der Lasuren gestaltet wurde. Ein Konzept, das in den 1920er Jahren prägend für eine »moderne« Gestaltung wurde. Diese schlichten und durch bewussten Einsatz des Zufalls gestalteten Keramiken fanden erstmals in China während der Song-Dynastie (960 – 1279) eine hohe Wertschätzung und wurden wie Kunstwerke gesammelt.
Paul Gangolf (eigentlich Paul Loewy) war Autodidakt und schuf neben Gemälden vor allem grafische Arbeiten. Ab 1914 entstanden erste expressionistische Holzschnitte, in denen Gangolf unter anderem seine Erlebnisse als Soldat im Ersten Weltkrieg reflektierte. Zu Beginn der 1920er Jahre veröffentlichte er mehrere Mappenwerke. Neben der 1923 entstandenen Mappe ›Großstadt‹ gehört die im Malikverlag erschienene Serie ›Metropolis‹ zu Gangolfs wichtigsten Werken. Gustav Schiefler hat in einer Besprechung in ›Das Kunstblatt‹ noch im gleichen Jahr die Bildfolge eingehend gewürdigt und die Arbeitsweise des Künstlers beschrieben: »Mit breiten Kreidestrichen ist er auf der Platte herumgefahren und hat damit zugleich ein Fundament geschaffen und ein Gerüst gebaut, aus denen er mit Nadel und Schaber die Lichtflecken und hellen Partien herausgearbeitet hat, eine Art flirrenden Gewebes über die dunklen Partien des Grundes breitend.« Stilistisch weist die Folge von neun Lithographien vor allem in den Figurenszenen eine gewisse Verwandtschaft zu Arbeiten von George Grosz auf. Gustav Schiefler und Paul Gangolf verabredeten, dass Schiefler ein Werkverzeichnis der Druckgrafik Gangolfs erstellt – wie er es zuvor schon für das druckgrafische Oeuvre von Max Liebermann, Edvard Munch, Ernst Ludwig Kirchner und Emil Nolde unternommen hatte. Auch dies zeugt von der hohen Wertschätzung, die Schiefler dem Schaffen Gangolfs entgegenbrachte. Der Tod Gustav Schieflers im Jahr 1935 vereitelte diese damals schon weit gediehenen Pläne. Noch im gleichen Jahr wurde Gangolf in Berlin wegen regimekritischer Äußerungen verhaftet und zeitweise in einem Konzentrationslager inhaftiert. Später emigrierte er nach Portugal und wurde 1939 bei dem Versuch, illegal nach Deutschland zurückzukehren, an der Grenze erschossen.
Sehr viel direkter als das weit verbreitete Genre des Porträts spricht das Doppelbildnis über das Verhältnis von Menschen zueinander. Emil Nolde porträtiert zwei Schwestern, Rudolf Belling lässt Kain und Abel aufeinandertreffen. Die Bildnisse geben Emotionen, Gedanken und Verhaltensweisen zu erkennen: Zuneigung und Liebe, aber auch Zwietracht und Entfremdung. Die Darstellungen reichen von der zaghaften Annäherung über den sexuellen Akt der Liebenden und den spielerischen Trieb bis zum Ringen mit dem Tod. Freude und Trauer, Hochgefühl und Schmerz, Zuneigung und Missachtung finden auf ganz unterschiedliche Weisen Ausdruck. Doch die dargestellte Zweisamkeit ist mitunter trügerisch. Die Blicke begegnen sich nicht; oftmals sind sie auf die Betrachter gerichtet und machen uns so zu Beobachtern und Adressaten zugleich. Das Gegenüber ermöglicht auch einen Akt des sich Erkennens im Anderen.
Seit dem 19. Jahrhundert erkunden Künstlerinnen und Künstler vermehrt Wege zur Abstraktion. Das Motiv der Landschaft ist für ihre Suche wesentlich, denn bei der Betrachtung der Natur verliert sich der Blick. Diese Erfahrung wird für die Malerei nutzbar gemacht: Im Schweifen des Auges, das die Szenerie aus der Ferne erkennt, das Gesehene aber aus der Nähe in einzelne Farbflächen zerlegt, tritt der Bildgegenstand hinter das Geschehen auf der Leinwand zurück. So taucht man angesichts der großformatigen ›Seerosenbilder‹ von Claude Monet in ein Meer von Farbe. Seit 1914 arbeitet Monet an der Idee einer raumfüllenden »Dekoration« dieser Werkserie, die 1927 in der Pariser Orangerie verwirklicht wurde und nach 1945 zur »Sixtinischen Kapelle des Impressionismus« avancierte. Für Künstler wie Mark Rothko ist Monets Behandlung von Licht und Farbe vorbildhaft.
Seit Jahrhunderten setzen sich Künstlerinnen und Künstler in ihren Werken mit dem Ursprung der Zivilisation auseinander. Prometheus soll die ersten Menschen aus Lehm gestaltet und mit Eigenschaften ausgestattet haben. In der ältesten antiken Überlieferung ist er ein listiger Betrüger, andere Künstler und Dichter verherrlichen ihn als Wohltäter der Menschheit. So doppeldeutig wie die Gestalt des Prometheus sind auch die Darstellungen weiterer mythologischer Figuren in der Kunst, wie Max Beckmanns ›Perseus‹ etwa oder Auguste Rodins ›Eva‹. Der Schlange wiederum sprechen einige Kulturen die Bedeutung der Widersacherin des Göttlichen zu, die einen harmonischen paradiesischen Zustand aufbricht. Gleichzeitig wird sie in anderen kulturellen Zusammenhängen mit sehr positiven Werten verbunden: als kosmische Urenergie, die ewig kreisend und strömend das Universum belebt, oder als das mythische Wesen, von dem alle anderen abstammen.
Unmittelbar nach der Bildfolge zur Erzählung ›Lenz‹ schuf Walter Gramatté Illustrationen zu Georg Büchners Drama ›Woyzeck‹. Die Titelfigur wird durch die Gewissenlosigkeit und das Desinteresse ihrer Mitmenschen zum Mord an der Geliebten getrieben. Die Uraufführung des Schauspiels erfolgte erst im Büchnerjahr 1913 im Münchner Residenztheater. Große Bekanntheit erlangte es durch die Inszenierung Max Reinhardts 1921 in Berlin. In seiner Begeisterung für das Stück hatte Gramatté zunächst geplant, einen Zyklus von 50 Blättern zum Woyzeck zu schaffen, nahm hiervon jedoch wieder Abstand, um sich den Illustrationen zu Büchners ›Lenz‹ zu widmen. Ermutigt durch die Veröffentlichung dieser Bildfolge im Jahr 1924 griff Gramatté im Anschluss das Thema ›Woyzeck‹ wieder auf. Dabei glich er den Umfang dieser zweiten Büchner-Serie jedoch an den der Bildfolge zum ›Lenz‹ an, was sicher der Hoffnung geschuldet war, auch eine Edition des ›Woyzeck‹ in der Reihe der Hamburger Handdrucke zu realisieren. Eine Veröffentlichung der Serie kam jedoch nicht zustande, weshalb sich nur einige Probedrucke erhalten haben. Inhaltlich orientiert Gramatté sich hier stark an der Handlung des Stücks, die er jedoch um ein wichtiges Motiv ergänzt, das in der Vorlage Büchners nicht erscheint – die Umarmung von Woyzeck und Marie (Blatt 2). »Eine Szene gibt es dafür nicht bei Büchner. Da aber mein Ziel bei Illustrationen stets ist, die Blätter unter sich in Beziehung zu bringen und außerdem klar ist, dass Wozzecks großes und einziges Glück Marie ist, kann und muss dieses Blatt da sein«, schrieb Gramatté im Frühjahr 1925 zur Begründung an Wilhelm Niemeyer. Stilistisch stehen die Blätter der Bildfolge zu Büchners ›Lenz‹ nahe, was auch Gramatté selbst bewusst war: »Es ist wieder alles in sehr starken energischen Linien gearbeitet. Sehr einfach, aber sehr ausgewogen. Wie immer habe ich versucht, das mir Möglichste an innerlicher Spannung zu geben, verhüllt durch fast brutal scheinende Formen und Linien.« (Brief an Paul Rauert, 12. Februar 1925) 1925, im Entstehungsjahr der Radierungen Gramattés, erfolgte auch die Uraufführung der Oper ›Wozzeck‹ von Alban Berg. Gramatté ließ dem Komponisten ein Exemplar zukommen, worauf dieser in einem Dankesschreiben eine große Nähe zwischen der künstlerischen Haltung Gramattés und seiner eigenen benannte: »Die Blätter sind herrlich, und ich habe gerade für diese Art Kunst einen starken Sinn und glaube, dass sie mit der meinigen sehr verwandt ist.«
Volker Noth (*1941) gehört mit zu den Plakatgestaltern, die dem Berliner Kultur-Plakat vom Ende der 1970er Jahre bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts einen eigenen Charakter gaben und dessen Qualitäten international Anerkennung fanden. Hervorzuheben ist seine fünfundzwanzig Jahre währende Zusammenarbeit mit den Internationalen Filmfestspielen in Berlin (Berlinale). Aber auch für andere Institutionen, wie Museen und Theater, gestaltete Noth zahlreiche Plakate. Frühe Plakate 1965, noch während seines Studiums, entwarf Volker Noth sein erstes Plakat, das den Weg an die Litfaßsäulen fand. Es war die Ankündigung eines Vortrags zur Rolle der Kernenergie in der zukünftigen Energiewirtschaft Europas, den die Europa-Union Deutschland (EUD) veranstaltete. Die frühen Plakate von Volker Noth zeigen im Wesentlichen bereits die Ansätze, die sich in den Arbeiten etwa für die Internationalen Filmfestspiele oder für Museen und Theater fortsetzen sollten. Dazu zählen unter anderem: eine der Aufgabe angemessene, zum Teil poetische Bildsprache, vor allem aber der reduzierte Umgang mit Typografie und die strategische Planung eines Seriencharakters über einen langen Zeitraum. Dies waren die wesentlichen Elemente, die geradezu als Voraussetzung für seine weitere Arbeit erscheinen. Internationale Filmfestspiele Berlin (Berlinale) Zwischen 1977 und 2001 gestaltete Noth die jährlichen Plakate, nicht nur für die Ankündigung der Berlinale, sondern auch für die zahlreichen Begleitausstellungen und Veranstaltungen, wie dem Kinderfilmfest, den Hommagen und der Retrospektive. Damit stand Noth immer in der Idee Plakate zu entwerfen, die zum einen für die Berlinale warben (ohne deren genaue Ausrichtung zum Zeitpunkt der Plakatveröffentlichung bereits zu kennen), zum anderen das Motiv so variabel zu halten, dass es auf konkrete Veranstaltungen adaptierbar war. Vergleicht man die Plakate, die Volker Noth für die Berlinale entworfen hat, so fällt die Vielfalt seiner Gestaltungsprinzipien auf, die vom radikalen motivischen Wechsel bis zum Durcharbeiten verschiedener Varianten einer Idee reichen – so etwa zu begleitenden Veranstaltungen wie dem Kinderfilmfest und dem Panorama. Volker Noths Arbeiten für die Berlinale waren eher sanfte Provokation und doch polarisierten sie. Selten blieb ein Plakat unkommentiert, die Bandbreite der Reaktionen reichte von Bewunderung bis Ablehnung. So erfüllten Volker Noths Plakate beispielhaft ihre Funktion im öffentlichen Raum: Aufmerksamkeit zu schaffen für das Thema und für das Medium. Seine Plakate sind untrennbar mit der Geschichte der Berlinale verbunden. Plakate für (weitere) kulturelle Ereignisse Im Gegensatz zu den Plakaten für die Berlinale, wo Noth die Last und Lust der freien Gestaltung zur Seite stand, sind bei Plakaten für Institutionen wie Museen oder Theater andere Voraussetzungen gültig. Wesentliche Elemente können vorgeschrieben sein, etwa welches Motiv zu nutzen ist, welche Hausfarbe, welche Typografie, wie die Einbettung der Logos der unverzichtbaren Sponsoren erfolgen kann und andere Dinge mehr. Volker Noths Arbeiten zeigen ein feines Gespür für plakative Wirkung. Fotografie und Typografie sind die tragenden Elemente, oft mit kräftigen Farben zu kontrastreichen Flächen kombiniert. Seine Arbeiten sind selten »laut« und bunt, sondern eher kräftig und farbig, versuchen nicht zu überrumpeln, sondern zu überzeugen. Sein persönlicher Stil lässt den Respekt erahnen, der ihn bei der Interpretation eines Themas treibt.
Vor allem bekannt für sein plastisches Werk, widmete sich Eduardo Chillida erst ab dem Jahr 1959 der Druckgrafik. Das zentrale Thema seines Schaffens ist der Raum, das Sichtbar- und Fühlbarmachen der Leere, weswegen er sich selbst als »Architekt der Leere« bezeichnete. Die Werkgruppe ›Aundi I-III‹ (vermutlich in Anlehnung an bask. handi »groß«), die vollständig in der Grafischen Sammlung des Museum Folkwang vorhanden ist, zeichnet sich durch eine abstrakte Formensprache sowie eine besonders flächige Gestaltung der Motive aus. Für jeden Druck der Serie verwendete Chillida jeweils nur eine Druckplatte. Um die großen, schwarzen Flächen zu erzeugen, nutzte er das Aquatintaverfahren, bei dem säurefester Staub (Harz, Asphalt oder Kolophonium) durch Erhitzen auf die Platte aufgebracht wird. Im Säurebad wird diese so nur rings um die Körner verätzt, wodurch eine raue Oberfläche entsteht, an der die Farbe auch auf größeren Flächen haften bleibt. Betrachtet man nun die Blätter, fällt zunächst das ungewöhnliche Verhältnis von Blatt und Motiv auf. Letzteres rückt an den oberen Blattrand, sodass die schwarzen Formen fast schwebend wirken. Sie scheinen sich der Gravitation zu widersetzen. Kombiniert mit dem deutlich sichtbaren Plattenton wird mit den Verhältnissen von Vorder- und Hintergrund gespielt. In ›Aundi I‹ besteht die schwarze Form aus zwei Teilen, die als Ganzes wahrgenommen werden. Der kleine Abstand zwischen ihnen wirkt wie eine Bruchstelle, die zwar sichtbar ist, die Zusammengehörigkeit jedoch nicht trübt. Obwohl man in dieser, so wie in fast allen grafischen Arbeiten Chillidas, keine rechten Winkel oder wirklich geraden Konturen findet, hat die Komposition etwas Geometrisches. Das linke obere Ende schließt genau mit dem Blattrand ab, was den Eindruck eines hängenden Objektes erweckt. Sowohl dieses linke, als auch das rechte Ende gehen über ein Querrechteck im Plattenton hinaus. Der Eindruck verschiedener Ebenen entsteht, sodass die schwarze Form vor dem Rechteck zu schweben scheint. ›Aundi II‹ ist die komplexeste Arbeit innerhalb der Gruppe. In dieser kommen geschwungene Elemente hinzu, die als Teil der schwarzen Form zwei blockhafte Elemente verbinden. Ein durch den Plattenton gebildetes Rechteck wird an der unteren Kante durch eine weitere, weiße Form durchbrochen. Es kann weder genau bestimmt werden, was sich im Vordergrund oder Hintergrund befindet, noch, wie die Flächen sich konstituieren, welche positiv oder negativ sind. Dadurch entsteht auf der zweidimensionalen Fläche ein diffuser, räumlicher Eindruck. Auf dem letzten Blatt dieser Gruppe, ›Aundi III‹, rückt die schwarze Form komplett an den oberen Blattrand. Aus einem horizontalen Balken erwachsen dabei teilweise geschwungene, breite Linien, die ins Zentrum des Blattes ragen. Wiederum gehen die schwarzen Flächen stellenweise über ein durch den Plattenton gebildetes Rechteck hinaus. Durch die Positionierung des Motivs wird auch hier die Gravitation thematisiert. Allen drei Blättern ist das Spiel mit scheinbar schweren und leichten Formen gemein. Durch die entstehenden Wechselwirkungen von Fülle und Leere wird Raum suggeriert, dessen Unfassbarkeit, im wahrsten Sinne des Wortes, zu Chillida als »Architekt der Leere« zurückführt. So spiegelt sich auch die Formensprache der plastischen Arbeiten in den beschriebenen Drucken wider und nicht selten erscheinen die grafischen Blätter wie Entwürfe zu diesen. Die Drucke bilden jedoch ein eigenes Medium, um die Idee des Raumes zu gestalten. Sie schaffen eine eigene Spannung zwischen Fülle und Leere oder Leichtigkeit und Schwere, die den Betrachter sofort ergreift.
Weiterführende Informationen zum Engagement der Stiftung für das Museum Folkwang erhalten Sie demnächst an dieser Stelle.
Wie ein Mosaik baut die Künstlerin Maria Helena Vieira da Silva ihr Gemälde ›Ville Grise‹ auf. Die titelgebende ›Graue Stadt‹ verschiebt sie darin zu einem abstrakten Erfahrungsraum, ein verregneter Wintertag, der letzte Schnee im Februar, verbaute Steine ohne Grün vielleicht? Assoziativ begleiten dieses Werk Szenen der mitunter tristen städtischen Alltäglichkeit, das Portrait eines bärtigen Mannes von Adolf Menzel, dem die vielen Jahre harter Arbeit ins Gesicht eingeschrieben sind, die beiden von Carl Hofer gemalten ruhenden Frauen, deren körperliche Textur mit den Draperien des Hintergrunds verschmilzt oder auch eine männliche Gestalt, die verloren vor den gigantischen ›Hochöfen der Friedrich Alfred Hütte‹ von Heinrich Kley steht, umgeben von Rauch und Metall. Damit verbunden ist die Frage in weit in uns eindringt, was uns umgibt und was wir wahrnehmen, in Kunst und Realität gleichermaßen.
Wie können Kunstwerke geschaffen werden, wenn dabei die Abbildung der Wirklichkeit nicht mehr im Vordergrund steht? Seit über einhundert Jahren finden Künstlerinnen und Künstler immer neue Antworten auf diese Frage. Robert Delaunay, Wassily Kandinsky und Piet Mondrian experimentieren jeder auf seine Weise mit starkfarbigen geometrischen Formen, die sie zueinander in Beziehung setzen. Max Bill greift die musikalische Idee der Variationen über ein Thema auf und entwickelt eine Folge von 15 Lithografien, die alle auf dasselbe Ausgangsmotiv zurückgehen. In der Werkgruppe ›Chance and Order‹ bezieht Kenneth Martin bewusst den Zufall in den Entstehungsprozess ein – eine gezielte Abkehr von der Idee künstlerischer Intuition. So ergeben sich Formen, die für den Künstler selbst überraschend sind.
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